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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Frauen überhaupt? Oder war es einfach nur ein übler Streich? Sie haben dich entmutigt und beschämt, aber wollten sie dich persönlich entmuti-gen, den Spender deines Lehrstuhls, Harvard oder die Frauenbewegung? Und wer, das ist die Hauptfrage, sind sie?«
    »Ich glaube, jetzt möchte ich doch gern einen Drink«, sagte Janet.
    »Scotch? Davon kriegt man Krebs, habe ich gerade gelesen.«
    »Das war vielleicht eine angenehme Erlösung.« Janet kicherte 44

    gequält. »Aber ich mag sowieso lieber Campari mit Soda.« Sie wartete auf ihren Drink, ehe sie weitersprach. »Weißt du übrigens, Kate, daß ich dich nie richtig leiden konnte? Ich wollte dich zwar mögen, aber es gelang mir nicht. Du schienst immer so selbstsicher zu sein, so…«
    »Wenn du jetzt damenhaft sagst, hau ich dir eine runter, das verspreche ich dir.«
    »Egal – ich habe mich immer über dich geärgert. Und ich weiß beim besten Willen nicht, warum ich geglaubt habe, du könntest mir helfen. Aber keine der Frauen hier in Harvard schien ansprechbar, höchstens die Emanzen, die offenbar annahmen, ich sei auch eine, und…«
    »Janet, hör zu. Ich weiß, ich unterbreche dich dauernd mit meinem Janet-hör-zu. Hör mir aber trotzdem zu. Ich bin jetzt hier. Sylvia ist hier. Wir wollen beide versuchen, dir den Rücken zu stärken; du kannst uns jederzeit um Rat fragen. Wir versprechen dir sogar, nicht über Feminismus zu diskutieren – solange du zumindest versuchst, nicht wie Phyllis Schlafly zu ihren besten Zeiten zu klingen. Sprich mit uns, berat dich mit uns, nimm unsere Hilfe an. Wir werden schon dahinterkommen, was hier gespielt wird.
    Aber – ich weiß, es ist ein großes Aber – du mußt weitermachen, als wäre nichts geschehen. Absolut nichts. Du siehst gut aus, hast Stil und einen verteufelt guten Ruf als Wissenschaftlerin. Und all diese Vorteile mußt du bis zum letzten für dich nutzen. Ich weiß, das klingt im Augenblick unmöglich, aber du wirst es schaffen. Außerdem hast du gar keine andere Wahl, das weißt du selbst, es sei denn, du gehst vorzeitig in den Ruhestand und schließt dich Marabel Mor-gan an. Wenn du hier kneifst, wird man sich auch an keiner anderen Universität nach dir sehnen. Also steh es durch! Sylvia und ich werden dir helfen, wo wir können.«
    »Aber wie bin ich in die Badewanne gekommen?«
    »Wenn ich recht sehe, trinkst du immer Campari mit Soda. Ein Campari mit Soda kann alles enthalten. Und in deinen hat man dir was reingetan. Übrigens, möchtest du noch einen?«
    Am nächsten Tag wurde Kate offiziell am Frauen-Institut be-grüßt. Sie spürte sofort, daß sie in einer anderen Welt war. Hier zumindest stellten lehrende Frauen kein Problem dar. Harvard ignorierte die Instituts-Frauen, die ihrerseits das Kompliment nur zu gern zurückgaben und den Verkehr mit Harvard auf rein praktische Fragen beschränkten. Man zeigte Kate ihr Büro, das Dozentenzimmer, 45

    die Küche und all die anderen Einrichtungen. Kate reagierte mit dem heftigen Wunsch, sich in ihr Büro zu verkriechen und in die Arbeit zu stürzen; aber vielleicht war es nur die Gewohnheit, die sie beim Anblick universitärer Gebäude sofort in diese Richtungen drängte.
    Natürlich hatte Kate ein Thema, über das man im Verlauf des Semesters einen Vortrag von ihr erwartete. Aber Kate konnte sich kaum noch an den angekündigten Titel erinnern.
    Allein in ihrem Büro, setzte Kate sich in den Sessel und versank in eine Art Trance. Direkt vor ihrem Fenster stand eine schöne alte Ulme, und gerade fielen die ersten Schneeflocken dieses Winters.
    Kate legte die Füße auf den Schreibtischstuhl, genoß die friedliche Szenerie und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
    Sie und Sylvia waren »bis in die Puppen« aufgeblieben, wie Kates Mutter zu sagen pflegte, und hatten über Janet gesprochen, die sie nach Sylvias Rückkehr in einem Taxi nach Hause verfrachtet hatten.
    Zu vorgerückter Stunde hatte sich Kate sogar zu der Vermutung hinreißen lassen, daß Janet vielleicht einen Blackout hatte und, Gott weiß wie und warum, selbst in die Wanne gestiegen war.
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, hatte Sylvia gesagt. »Du weißt ja, wie labil Frauen sind, die ihren Mutterinstinkt nicht ausleben konnten. Aber das ist noch keine Erklärung für die Frau aus der Kommune. Irgend jemand hat sie angerufen – jemand, der genau wußte, daß er nur das Wort ›Schwester‹ fallenzulassen brauchte, um sie herzulocken. Kate, ich würde das niemand anderem gegenüber

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