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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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aussprechen, aber: Hältst du es für möglich, daß diese
    ›Aussteiger‹ – Frauen den Establishment-Frauen eins auswischen wollten und der Plan schiefging? Nun, ich glaube das auch nicht, aber wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Und wie du siehst, hat das Patriarchat uns dermaßen das Hirn gewaschen, daß selbst ich eher einer Frauengruppe die Schuld gebe als einem Harvard-Professor, obwohl diese Gattung weiß Gott genauso unberechenbar oder noch unberechenbarer ist als sonstwer. Hast du von dem Professor gehört, der absolut insistiert hat auf dem seit dem siebzehnten Jahrhundert verbrieften Recht, auf Cambridges Gemein-degelände eine Kuh grasen zu lassen? Die übrige Zeit hielt er sie in seinem Wohnzimmer. Na, ich glaube die Geschichte auch nicht, aber daran siehst du mal…«
    Was sie daran sehen sollte, wäre Kate, während sie die Ulme und die Schneeflocken betrachtete, bestimmt eingefallen, hätte es nicht an der Tür geklopft. »Herein«, rief sie und erwartete unwillkürlich 46

    eine Frau.
    Aber die Gestalt, die eintrat, war männlich – so sehr männlich, daß es Kate in ihrer augenblicklichen Gemütsverfassung völlig ü-
    berwältigte. Mit diesem Mann hatte sie Examen gemacht, und nicht nur das, er war der erste, mit dem Kate geschlafen hatte – eine wenig bemerkenswerte Erfahrung, aber die folgenden Male… Nun, sie hatten ihren Abschluß darin gefunden, daß er nicht Kate, sondern Janet geheiratet hatte.
    »Moon«, rief Kate, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte.
    »Was um Himmels willen tust du denn hier?«
    »Liegt die Betonung auf du, hier oder tust?« fragte Moon. Er trat ein und schloß die Tür hinter sich. »Darf ich mich setzen?« fragte er.
    Kate sah ihn an, und ihr brauste der Kopf. Nein, mußte sie sich eingestehen, es war nicht gerade ihr Kopf. Mein Gott, ich bin immer noch… sagte sie ziemlich hilflos zu sich selbst.
    Zu Moon sagte sie: »Die Betonung liegt auf hier. Hier in Harvard, am Radcliffe, in meinem Arbeitszimmer. Hier.«
    »Ich gebe Kurse für literarisches Schreiben. Hab in der ›Gazette‹
    gelesen, daß du als Lehrbeauftragte herkommst. Also bin ich herspa-ziert, habe mich nach dir durchgefragt – und da bist du. Wie geht es dir, Kate?«
    »Könnte besser gehen. In gewisser Weise ist es mir nie schlechter gegangen. Ich steck in einem Riesenschlamassel. Ich weiß weder, wie ich da reingekommen bin, noch wie ich rauskommen soll.«
    »Genau das war das erste, was du je zu mir gesagt hast. Du wirst dich nicht erinnern, aber ich weiß es noch. Es ging um deine Magis-terarbeit. Du wußtest nicht, wie du an das Thema geraten warst et cetera. Natürlich hast du schließlich die beste Note bekommen, aber das war ja immer so bei dir. Es tut gut, dich zu sehen, Kater Du bist so schön wie immer.«
    »Und du auch. Vielleicht brauchen wir beide eine Brille. Weiß Janet, daß du hier bist?«
    »Natürlich weiß sie es. Mehr noch, sie hat den Verdacht, daß ich es war, der sie aus irgendwelchen mysteriösen Gründen in diese Badewanne gelockt hat. Woher hätte ich wissen sollen, daß Janet die Frau des Jahrhunderts wird?
    Harvard hat mir angeboten, Kurse für literarisch ambitionierte Studenten abzuhalten, und ich dachte, zum Teufel, warum soll ich mir nicht mal wieder den Osten ansehen? Also kam ich her. Niemand brachte unsere Namen miteinander in Verbindung. Die Welt 47

    ist voll von Mandelbaums. Tja, und deshalb bin ich hier – und du bist hier, Lehrbeauftragte am berühmten Institut und Freundin von Janet in der Badewanne.«
    »Moon, wenn du noch einmal die Badewanne erwähnst, dann werde ich, ich weiß nicht was tun, aber es wird schrecklich werden.
    Lieber Moon«, fügte sie inkonsequent hinzu.
    Moon Mandelbaum hieß eigentlich Milton, ein Vorname, den er haßte und nie benutzte. Milton Mandelbaum war schon Moon geworden, ehe Kate ihn kennenlernte. Er war groß und poetisch und wundervoll und hatte Janet geheiratet.
    »Warum hast du Janet geheiratet?« sagte Kate.
    »Sie war schön«, antwortete er. Er wußte, daß manche Fragen wieder und wieder gestellt werden müssen. »Und sogar noch vor-nehmer als du, wenn du verstehst, was ich meine. Außerdem wäre sie sonst nicht mit mir ins Bett gegangen. Nicht, wie sich herausstellte, weil ihr besonders viel an ihrer Jungfräulichkeit lag, obwohl die damals den meisten Frauen noch wichtig war, sondern weil ihr nicht viel daran lag, überhaupt mit jemand ins Bett zu gehen. Du weißt, Janet ist nicht gerade

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