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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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auch noch andere Dinge in Cambridge gibt. Wie geht es Ihrer Freundin, die Janet Mandelbaum in der Badewanne gefunden hat?«
    »Luellen May geht es schrecklich«, sagte Joan. »Ganz schrecklich. All die üblichen Schikanen von ihrem Mann – wegen der Kinder, wissen Sie. Warum kommen Sie nicht mal vorbei und sehen, was Sie ausrichten können? Vielleicht sie ein bißchen aufheitern?«
    »Ja, ich komme«, sagte Kate. Sie beugte sich herab und gab Jocasta einen Klaps. Ich bin verrückt, dachte sie, aber dieser Hund hat es mir angetan.
    Der zweite Zwischenfall kam völlig unerwartet. In ihrer zweiten Woche am Institut fand Kate eine Notiz vor. Bitte rufen Sie Professor Sladovski unter dieser Nummer an. Ehe Kate die Nummer wähl-te, sah sie im Telefonverzeichnis von Harvard nach und entdeckte, daß er Dozent am Fachbereich Anglistik war. Kate überlegte einen Moment, ehe sie den Sprung ins Wasser wagte. Es war äußerst un-52

    gewöhnlich, zumindest wäre es das überall außerhalb Harvards gewesen, daß bisher kein Mitglied der anglistischen Fakultät auch nur den leisesten Versuch unternommen hatte, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Und auch sie hatte bisher keinen Weg entdeckt, mit jemandem aus dieser Sphäre in Kontakt zu kommen. Professor Sladovskis Notiz brachte vielleicht den Durchbruch. (Es konnte natürlich genausogut sein, daß er einer der nicht fest angestellten Dozenten war, der auf »hilfreiche« Kontakte hoffte. Um so besser; dann würde sie ihn für ihre Zwecke einspannen, so wie er hoffte, sie für seine einzuspannen.)
    Dozent Sladovski gab sich hocherfreut über Kates Anruf. Ob sie nicht Lust habe, zum Dinner vorbeizukommen. (»Nennen Sie mich Andy«, hatte er gesagt.) Er und seine Frau Lizzy würden darauf brennen, sie kennenzulernen. Kate fand Dinnerpartys etwas weniger schrecklich als Tod durch Ertrinken oder sechs Runden auf einer Berg- und Talbahn, aber nicht viel weniger. Und sie hatte gelernt, das auch zu sagen.
    »Oh, keine Angst, es ist keine Dinnerparty. Nur ich und Lizzy und Penny Artwright. Penny ist auch Dozentin am Fachbereich. Wir dachten, Sie hätten vielleicht Lust, ein wenig zu plaudern. Lizzy hat durch ihre ›Informanten‹ von Ihnen gehört. Na, und da alle Berichte exzellent waren, dachten wir, riskieren wir die Einladung!«
    »Na gut, dann riskier ich, sie anzunehmen.«
    »Gibt es etwas, was Sie besonders mögen oder nicht ausstehen können?«
    »Ich esse alles außer Erdnußbutter und Coca-Cola. Ich bringe etwas Wein mit, wenn ich darf.«
    »Wunderbar. Um sieben also.« Er gab ihr die Adresse. »Außerdem: bei uns darf geraucht werden.«
    »Sie haben wirklich gute Informanten«, sagte Kate.
    »Wer käme heute schon ohne aus! Bis dann also«, sagte Andy.
    Kates Gemütsverfassung hellte sich beträchtlich auf.
    Am Nachmittag ging sie mit Moon spazieren und als es zu schneien begann, mit zu ihm auf sein Zimmer. »Ich spiel ein bißchen Gitarre«, sagte er. »Wir setzen uns hin und singen und reden und betrachten den Schnee.«
    Als Kate Moon in den Fünfzigern kennenlernte, hatte er auch Gitarre gespielt und gesungen; er hatte schon viel früher damit angefangen, lange vor den Tagen der Rockmusik. Moon erinnerte Kate immer an Pete Seeger, oder eher umgekehrt. Denn Pete Seeger hatte 53

    sie das erste Mal in den Siebzigern gesehen, während eines ziemlich hektischen Sommers in den Berkshires. Zu Anfang, erinnerte Kate sich, hatte ihr Pete Seeger überhaupt nicht gefallen. Er war ihr vorgekommen wie ein Überbleibsel aus den Dreißigern – mit seinen Liedern über Banken, die alles Farmland aufkauften, was früher vielleicht zutraf, aber heute gewiß nicht mehr. Dann hatte er ein Lied gesungen, das, wie er sagte, seine Schwester geschrieben hatte. Es hieß ›I’m Gonna Be An Engineer‹ und damit hatte er ihr Herz ge-wonnen. Seitdem hatte sie zwei seiner Konzerte besucht, eins davon in einem New Yorker College, wo er als Hommage an sein Publikum jiddische Lieder gesungen und Kate mehr denn je an Moon erinnert hatte. Pete Seeger war in Ordnung, beschloß Kate, nur seine Nase war zu klein. Jedesmal, wenn er sein Publikum animierte mitzusin-gen, mußte sie an Moon denken – die gleiche offene, warmherzige, aufmunternde Art.
    Moon sang von einer Lady aus Baltimore, und Kate dachte, so ähnlich war es immer gewesen, wenn Moon und sie sich getroffen hatten – immer in Städten, in denen sie beide nicht zu Hause und in Zimmern, die Zwischenstationen waren. Moon reiste stets mit

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