Die Tote von Harvard
gestiegen war, 57
hatte sie das Gefühl, einfach sie selbst zu sein.
Kate hatte gerade beschlossen, ihr Wohlgefühl aufs Spiel zu setzen und das Thema Janet Mandelbaum anzuschneiden, als Lizzy ihr zuvorkam. »Wir haben gehört, daß Sie mit Andys neuer Bienenkönigin zusammen promoviert haben«, begann sie.
»Ja. Wir waren sogar die beiden einzigen Frauen in unserer Gruppe und haben uns gemeinsam auf die Examen vorbereitet.«
»Und ich wette, unsere Janet bestand sie mit Auszeichnung.«
»Mit der höchsten. Außerdem war sie schön. Damals schien sich das Schicksal ganz unverschämt auf ihre Seite zu schlagen. Heute sieht es ein bißchen anders aus.«
»Sie werden doch nicht anfangen wollen, sie zu verteidigen?«
sagte Andy.
»Aber gewiß werde ich sie verteidigen«, sagte Kate. »Die einzigen Frauen, die ich nicht verteidige, sind die, die in den Siebzigern die Nase über die Frauenbewegung gerümpft haben, aber gern all die Vorteile in Anspruch nahmen, die andere Frauen für sie erkämpft hatten. Und zu dieser Sorte Frauen gehört Janet nicht. Ich glaube, niemand kennt den Preis, den sie zahlen mußte. Wohl nur eine Frau, die es selbst durchgemacht hat, weiß, was es kostet, das zu erreichen, was Janet Mandelbaum erreicht hat.
Ab dem Moment, als sie sich einen Ruf in der akademischen Welt machte, war sie genausowenig sicher vor den Angriffen neidi-scher und grausamer männlicher Kollegen wie jede andere Frau in einer hohen Position. Verdammt, ich wünschte, man hätte jemand anderes berufen. Ich wünschte, einer dieser idiotischen Männer des Berufungskomitees hätte sich von einer Frau beraten lassen, welche Sorte Frau den Druck hier in Harvard aushalten kann. Aber da man Janet nun einmal hergeholt hat, ja, ich werde sie verteidigen.«
»Wir dachten, Sie mögen sie nicht«, sagte Penny.
»Ich mag sie auch nicht. Ich kann niemanden mögen, der zu keiner Intimität fähig ist – nein, das stimmt nicht, ich kann niemanden lieben, der nicht dazu fähig ist. Janet ist wie ein Igel – sowie sie die Gefühle anderer so wichtig nehmen müßte wie ihre eigenen, stellen sich ihr alle Stacheln auf. Also kann ich sie nicht lieben. Und mögen kann ich sie nicht, weil die Arme sich eben dafür einfach nicht eignet.«
»Haben die sich vielleicht alle Mühe gegeben, jemand zu finden, den niemand leiden kann?« fragte Penny.
»Das traue ich denen durchaus zu«, sagte Andy. »Mich wundert 58
nur, daß nicht einmal unser guter Clarkville sie mag. Ich hätte geglaubt, daß sie genau der Typ Frau ist, der der alten Tunte liegt – das heißt, wenn er sich schon mit einer Frau an seiner Fakultät abfinden muß. Schon gut, schon gut, ich nehm das Wort Tunte zurück.« Andy sah seine Frau an. »Es unterläuft einem eben, daß man all die ent-setzlichen rassistischen und sexuellen Klischees benutzt, wenn einem jemand zuwider ist und man das auf einfache Art ausdrücken will.
Clarkville ist eine so schwere Last, daß er die ganze Fakultät mit in die Tiefe reißt, wenn man ihn nicht über Bord wirft. Aber wer sollte Clarkville schon rausschmeißen? Er ist übrigens der Überzeugung, daß weder eine Frau die Widener Bibliothek hätte betreten noch Amerika den Krieg in Vietnam hätte beenden dürfen, und daß Nixon eine Falle gestellt wurde und man alle Gewerkschaften verbieten müßte. Wie bin ich nur auf Clarkville gekommen?«
»Weil auch er Janet nicht leiden kann.«
»Hat er Ihnen je übel mitgespielt?« fragte Kate Penny.
»Nein, eigentlich nicht. Er bevormundet einen, versucht ein biß-
chen zu flirten und spielt gern den Kavalier. Er weiß schließlich, daß ich keine Macht habe. Deshalb kann er es sich leisten, fair und edel zu sein und mich höflich zu behandeln, übertrieben höflich sogar.
Aber er würde mich nie unterstützen, wenn ich mich um eine Professur bewerbe, nicht hier und nicht anderswo. Er würde schreiben, daß ich für eine junge und attraktive Frau erstaunlich helle bin.«
Penny kippelte auf ihrem Stuhl nach hinten und brachte ihn mit einem Ruck wieder nach vorn. »Ich sag euch, was ich wirklich von Clarkville und all den anderen halte – was sie bezwecken wollten, als sie sich für Janet entschieden. Du darfst mich ruhig paranoid nennen«, sagte sie an Lizzy gewandt, »aber ich wette, ich habe recht.
Man hat Janet mit weiser Voraussicht ausgewählt. Die Millionen-spende für den neuen Lehrstuhl wollte Harvard nicht ablehnen, aber man hat dafür gesorgt, daß ihn eine Frau bekam, die nicht
Weitere Kostenlose Bücher