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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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haben: beide waren intelligent, nicht über Gebühr angespannt und ohne alles pompöse Gehabe.
    Lizzy erzählte Kate, sie sei Krankenschwester, und vor einigen Tagen habe man ihr eine leitende Stelle im Verwaltungsapparat einer großen Klinik angeboten, aber sie hatte abgelehnt.
    »Penny meint, man dürfe nicht auf der Stelle treten, müsse sich fortbewegen, um nicht zu stagnieren. Penny glaubt nämlich, Fortbe-wegung sei ein Gesetz der menschlichen Natur und jede Zuwider-handlung hätte schlimme Folgen. Stimmt’s, Penny?« Anders als die Sladovskis, die Katholiken polnischen Ursprungs waren, gehörte Penny Artwright zu eher Fanslerschen Kreisen. Wie Kate war sie der selbstgefälligen Lebensansichten ihres Clans überdrüssig. Gegen die Kleidersitten ihrer Kaste hatte sie offenbar nichts einzuwenden, denn sie war hochelegant. Eine gewisse nervöse Spannung ging von ihr aus. Nun, dachte Kate, für Professoren ist es gut, wenn sie eine gewisse nervöse Unruhe ausstrahlen, für Krankenschwestern nicht. Das war also in Ordnung. Außerdem fiel ihr auf, wie völlig entspannt Andy in der Gesellschaft von drei Frauen war, es nicht einmal nötig hatte, eine Bemerkung darüber zu machen.
    »Harvard kommt mir plötzlich meilenweit entfernt vor«, sagte Kate. »Ich weiß, keine sehr originelle Bemerkung, aber eine tröstliche. Und was einen tröstet, ist selten originell. Ich habe erst einen Schluck getrunken, und schon werde ich tiefgründig. Gute Atmosphäre.«
    »Harvard macht einen so atemlos«, sagte Penny. »Jeder hier strengt sich so fürchterlich an. Gestern abend war ich bei einem der älteren Professoren zu Hause eingeladen, einem der wenigen, die sich mit den unteren Chargen abgeben. Er ist sehr nett, wirklich, aber bei ihm eingeladen zu sein, ist ein wenig, als würde man zum Abendessen mit dem Boß zitiert. Sie hatten noch einen unverheirateten Gastdozenten dazugebeten, denn schließlich kann man nicht eine 56

    Frau allein einladen. Harvard hält sich strikt ans Arche-Noah-Prinzip. Jedenfalls war der Abend nicht nur das Äußerste an gestelz-ter Konversation und müden Anekdoten, sondern mein Tischherr kam auch noch auf die Idee, daß er das Herz des Professors im Sturm erobern würde, wenn er ihm und seiner Frau Bridge beibrächte. Na-türlich ist jeder Harvard-Professor, der junge Dozenten zum Abendessen einlädt, viel zu höflich zu sagen, daß er keine Lust hat, Bridge zu lernen, zumindest nicht offen, aber es war mehr als offensichtlich.
    Mein bornierter Tischherr jedoch hat das nicht begriffen. Er hatte sich nun mal in den Kopf gesetzt, es sei seiner wissenschaftlichen Karriere förderlich, wenn er seinem Vorgesetzten Bridge beibringt, und dabei blieb er. Und dann folgte, was man in Harvard unter einem geselligen Abend versteht.«
    »Spielen Sie Bridge?« fragte Kate.
    »Ja, aber ich habe es nicht zugegeben. Auf mich konnte er also nicht zählen bei seinem albernen Unternehmen. Ich bin immer bereit, einem Kollegen aus der Klemme zu helfen, aber nicht, mich zur Komplizin seiner Idiotie zu machen. Außerdem hatte er etwas gegen intellektuelle Frauen und glaubt wahrscheinlich, daß eine Frau sowieso nur an der Seite eines bridgefanatischen Ehemannes zu den geistigen Höhenflügen dieses Spiels fähig ist.«
    Kate kicherte. »Meine Schwägerin vergißt regelmäßig, daß ich nicht Bridge spiele, und wenn ich sie besuche, erzählt sie mir unentwegt von irgendwelchen Finessen, wenn das der richtige Ausdruck ist, die ihr am Abend zuvor gelungen sind. Ich spiele jedoch Poker, in der richtigen Gesellschaft und mit den richtigen Einsätzen.«
    »Pokern«, sagte Andy, »tut jeder in Harvard – um seine Existenz, und zwar in der falschen Gesellschaft und mit falschen Einsätzen.
    Wollen wir essen?«
    Sie aßen in der großen altmodischen Küche, die auf eine Veranda hinausführte, wunderschön im Sommer, sagten die Sladovskis. Während sie bei Kerzenlicht aßen, wurde Kate bewußt, daß sie sich zum ersten Mal in Harvard wirklich behaglich fühlte. Das hieß natürlich nicht, daß sie sich mit Sylvia oder Moon nicht wohl fühlte. Aber Sylvia war so sehr die Frau aus Washington, mit irgendwelchen Strategien beschäftigt und ständig darauf bedacht, ihre Zeit gut zu nutzen. Und Moon, als äußerster Kontrast dazu, lebte so sehr in den Tag hinein, war so entspannt, daß Kate sich perverserweise in seiner Gegenwart vor lauter Entspannung schon fast nervös fühlte. Erst hier, und zum ersten Mal, seit sie aus dem Flugzeug

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