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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Antwort gab Mencken allen Leuten, die ihn in hirnrissige Diskussionen verwickeln wollten. »Haben Sie etwas dagegen«, fragte Kate mit un-schuldigem Lächeln, »wenn ich einfach ein bißchen herumwandere und versuche, mich inspirieren zu lassen?«
    »In der Küche wird’s wohl am wenigsten geben, was Sie, wie ich Sie einschätze, inspiriert. Fangen wir also dort an. Sie müssen verstehen, ich will die Sache schnell hinter mich bringen. Schließlich 124

    warten zu Hause wichtigere Geschäfte auf mich.«
    »Tut mir wirklich leid«, sagte Kate, »daß ich Ihnen lästig fallen muß. Lassen Sie mich schnell einen Blick in die Küche werfen, dann überlasse ich sie Ihnen, damit Sie die Töpfe und alles einpacken können. Einverstanden?« Kate wußte wirklich nicht, was sie dort zu finden hoffte, aber mit so wenig in der Hand durfte man nichts auslassen.
    Die Küche bot jedoch keinerlei Hinweise. Sie war zum Wohnzimmer hin offen – ideal, um Gäste zu bewirten. Kate, die selbst keine große Köchin war, erkannte sofort, ob in einer Küche oft ge-kocht wurde oder nicht. Diese übermäßig ausgestattete Küche hatte in Janet niemanden gefunden, der sie zu schätzen wußte. Der Kühl-schrank war so gut wie leer – bis auf eine Tüte inzwischen saurer Milch, einen angebrochenen Joghurtbecher und einen Rest fettarmen Käses, alles, wie Kate nicht entging, bei Sage erstanden, Cambridges teuerstem Feinkostladen. Weder in der Küche noch im Wohnzimmer gab es irgendwelche Hinweise auf Besucher, die Janet gehabt hatte, ehe sie starb. Natürlich hätte jemand alle Spuren beseitigen können.
    Aber das Haus des Dekans war sehr hellhörig – jemand, der eine Leiche von hier hätte fortschaffen wollen, hätte äußerst vorsichtig sein müssen. Nein – Kate spürte es einfach –, hier war Janet nicht gestorben. Noch mehr, man fühlte, daß sie nicht einmal gelebt hatte hier.
    »Traurige Küche, nicht wahr?« sagte Bill wie ein Echo ihrer Gedanken. »Kein Zeichen von Leben. Ich mag Küchen, in denen was passiert, wo es dampft und brodelt.«
    Kate hätte Bill am liebsten gebeten, sich irgendwo hinzuhocken und sie ihren Streifzug fortsetzen zu lassen, ohne seinen klobigen Schatten im Genick. Aber der Mann hatte schließlich Rechte und Kate wahrscheinlich halb im Verdacht, etwas vor ihm zu verstecken oder heimlich mitgehen zu lassen. Nun, dachte Kate, sollte ich wirklich auf etwas Interessantes stoßen, dann kann es nur etwas sein, das für Janets Erben nicht den geringsten Wert hat. Aber das einem Mann von Bills Kaliber zu erklären – die Mühe wollte sie nicht auf sich nehmen.
    Was Kate im Wohnzimmer am meisten interessierte, waren die Bücher. Von Cunningham wußte sie, daß die Polizei die Regale von oben bis unten durchsucht hatte, um sicherzugehen, daß nichts hinter oder in den Bänden versteckt war – Gift, zum Beispiel, oder Droh-briefe. Aber Janets Bücher waren, zumindest was das anbetraf, für 125

    unschuldig befunden und alle wieder an ihren Platz zurückgestellt worden. Kate war im Gegensatz zu Bill überrascht, wie wenig Bü-
    cher Janet besaß – das heißt, wenig für eine Professorin für englische Literatur. Literaturprofessoren können einfach nicht dagegen an –
    bei ihnen sammeln sich Bücher an wie Algen unter dem Bug eines Schiffs. Ein mit Literatur befaßter Akademiker kommt so wenig an einer Buchhandlung vorbei wie ein Alkoholiker an einer Bar. Aber hier gab es keine Anzeichen dieser Buchmanie. Die meisten Bände befaßten sich mit dem siebzehnten Jahrhundert und waren fast alle älteren Datums. Einige Neuerscheinungen standen im unteren Teil des Regals – wahrscheinlich hatte man sie Janet zugeschickt, mit der Bitte, sie zu besprechen. Bestimmt, sagte sich Kate, waren alle Zeichen rührigen geistigen Lebens – jene Zeichen, die den Tod über-dauern – in Janets Arbeitszimmer zu finden.
    Aber auch da gab es keine. Eins der beiden Schlafzimmer des Appartements hatte Janet in ihr Arbeitszimmer umgewandelt. Die zugedeckte Schreibmaschine stand auf einer großen Platte, die Janet offenbar als Schreibtisch gedient hatte. Neben der Schreibmaschine standen zwei Drahtkörbe, einer mit abgehefteten Artikeln, die gelesen werden wollten, und einer mit Briefen, die auf Beantwortung warteten. Kate kannte das System. Als Akademikerin ohne Privat-sekretärin war man entweder ein hoffnungslos chaotisches Wesen mit dickem Fell, stapelte Papierberge auf dem Schreibtisch und an allen möglichen sonstigen Ecken und ließ

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