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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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verstehen, was ich meine.«
    »Ich verstehe vollkommen. Ihrer Logik stimme ich allerdings nicht zu. Wenn einige wenige Leute eingeweiht sind, können bestimmte Tatsachen besser geheim gehalten werden, als wenn viele Leute, die nichts wissen, wild herumspekulieren. Und man wird anfangen zu spekulieren, Professor Clarkville, das kann ich Ihnen versprechen. Auch ich werde natürlich jedermann erzählen, was ich weiß und vor allem, was ich vermute.«
    »Was Sie bisher noch nicht getan haben?«
    »Nein, noch nicht. Beginnen wir also mit dem Nachmittag. Noch niemand ist in den Sinn gekommen, sich darüber Gedanken zu machen. Was geschah an dem Nachmittag vor Janets Tod?«
    137

    »Wir hatten eine Fachbereichssitzung.«
    »Hier?«
    »Ja. Hinten im Konferenzraum, wo wir immer tagen. Nicht die ganze Fakultät war anwesend, nur die Vollprofessoren, also natürlich auch Janet Mandelbaum. Die Sitzung zog sich ziemlich in die Län-ge.«
    »Fiel irgend etwas vor, wovon Sie meinen – nun, ich möchte Ihnen nichts in den Mund legen.«
    »Wir sprachen über die anstehenden Neueinstellungen und Be-förderungen. Um dergleichen geht es wohl immer bei solchen Sitzungen, aber das kennen Sie ja selbst. Fürs kommende Jahr werden wir einige neue Dozenten einstellen müssen, und wir überlegten, für welche Gebiete sie am dringendsten benötigt werden. Dann erwähnte der Vorsitzende, daß die Studentinnen erneut einen Antrag gestellt hätten, im Fachbereich Anglistik feministische Studiengänge einzu-richten. Unser Vorsitzender ist, gelinde ausgedrückt, nicht gerade angetan von all diesen feministischen Ideen. Wie ich schon angedeu-tet habe, halten die meisten an unserer Fakultät das Ganze für eine alberne Mode, die bald vergehen wird. Andererseits wurden aber in fast allen anderen Fakultäten Harvards solche Studiengänge eingerichtet, und die anglistische Fakultät konnte schlecht so tun, als ginge das alles sie nichts an. Unser Vorsitzender schlug vor, jeden, der Lust zu einem solchen Kurs hätte, gewähren zu lassen. Einer der Professoren meinte dann, wir sollten zu diesem Zweck eine Assistenzprofessorin anheuern, worauf ein anderer entgegnete, warum immer Assistentinnen solche Kurse geben sollten. Ihm war natürlich bewußt, daß keiner der vollbestallten Professoren an unserer Fakultät auch nur im Traum daran dachte, sich auf so etwas einzulassen. Tja, und alle sahen dann erwartungsvoll Janet an.«
    Clarkville machte eine Pause. Kate wartete, denn sein Verhalten machte deutlich, daß er noch etwas sagen wollte. Aber er sagte es nicht. »Ja?« ermunterte Kate ihn schließlich.
    »Na, und sie, sie…« Offenbar wollte Clarkville seine Worte geschickt auswählen, »…na, bei ihr knallten alle Sicherungen durch.
    Sie regte sich fürchterlich auf. Sagte, warum ausgerechnet sie sich so etwas aufladen solle. Sie sei Expertin fürs siebzehnte Jahrhundert.
    Vielleicht gäbe es ja eine feministische Sichtweise von Donne oder Marvell oder Milton. Sie jedenfalls könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie die aussehen solle. Kurz, sie tat die ganze Idee als völlig lächerlich ab.« Clarkville hielt wieder inne. »Das alles«, 138

    fuhr er fort, »war natürlich ziemlich peinlich. Wir sind keine Szenen gewohnt, jedenfalls keine von der Sorte. Aber das Ganze hätte man einfach übergehen und zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen können, wenn nicht einem der Professoren – seinen Namen möchte ich, zumindest im Augenblick, nicht nennen – eingefallen wäre, Janet zu attackieren: ›Da Sie Ihren Lehrstuhl hier in Harvard letzten Endes genau diesen Anhängerinnen feministischer Studiengänge zu verdanken haben, Frau Professor Mandelbaum, verstehe ich nicht ganz, weshalb Sie jetzt so empörte und hochfahrende Töne anschla-gen. Natürlich ist die ganze Idee feministischer Wissenschaft Unsinn
    – der reinste Quatsch. Genauso wie der gesetzliche Schutz von Minderheiten und wohl das meiste, was heutzutage passiert; der Staat mischt sich in den Lehrbetrieb ein und so weiter. Aber da man Sie uns nun schon einmal aufgehalst hat, Frau Professor Mandelbaum, ist doch das mindeste, was wir von Ihnen verlangen können, daß Sie sich um dieses Problem kümmern.‹ «
    Kate starrte Clarkville an. »Mannomann – das hätte jedenfalls ei-ne junge Reporterin gesagt, die ich neulich kennenlernte.«
    »Tja«, fuhr Clarkville fort. »Wir fanden es natürlich alle nicht richtig, daß er das gesagt hatte. Er vertritt ziemlich extrem konserva-tive

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