Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Telefonieren!“ Mabel stemmte die Hände in die Hüften und funkelte den jungen Mann an, woraufhin seine Ohren die Farbe reifer Tomaten annahmen.
„Ah, ich verstehe.“ Er deutete auf ein Regal auf der gegenüberliegenden Seite. „Hier drüben haben wir eine Auswahl von Seniorengeräten, ich denke, das ist das, was Ihren Vorstellungen entspricht. Übersichtliches Display, besonders große Tasten und eine leichte Bedienung, mit der selbst Babys telefonieren könnten.“
Das Lächeln auf den Lippen des Verkäufers blieb gleichbleibend freundlich, Mabel spürte aber deutlich seinen Verdruss, nicht eines von den teuren Hightech-Geräten verkaufen zu können, sondern sich stattdessen mit einer senilen Alten abgeben zu müssen.
Eine Stunde später war Mabel zum ersten Mal in ihrem Leben stolze Besitzerin eines Handys. Anstatt eines Vertrages hatte sie sich für eine Prepaid-Karte entschieden, und der Verkäufer hatte ihr gleich alles so eingerichtet, dass sie sofort telefonieren konnte. Mabel wusste, sie würde die Bedienungsanleitunggenau studieren müssen, um mit dem Ding umgehen zu können, aber so schwer durfte das wohl nicht sein. Gerade als sie das Geschäft verlassen wollte, sah sie Victor Daniels auf der anderen Straßenseite. Sie wollte schon die Tür öffnen und seinen Namen rufen, als sie bemerkte, dass er nicht allein war. An seiner Seite ging Michael Hampton, der junge Schauspieler und Freund von Jennifer, Sarah Millers schärfster Konkurrentin. Mabel zögerte und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Victor selbst hatte gesagt, dass in Lower Barton jeder jeden kannte, und jetzt war er mit Michael in ein intensives Gespräch vertieft, denn er redete unablässig auf den jungen Mann ein, und Michael presste unwillig die Lippen zusammen. Dann sagte Victor etwas, woraufhin sich Michaels hübsches Gesicht verzerrte, er hob die Hand, ganz so, als wolle er Victor schlagen. Mit einem raschen Griff packte Victor Michaels Handgelenk und zog ihn dicht an sich heran. Die Augen zu Schlitzen verengt, zischte Victor Michael etwas ins Ohr, und Mabel bedauerte, nichts von dem Wortwechsel verstehen zu können. Als sich Michael wütend umdrehte und davonlief, starrte Victor ihm mit einem grimmigen Blick nach. Mabel brannte darauf, zu erfahren, worum es in dem Streit gegangen war. Nun, sie würde Victor bei ihrem nächsten Treffen danach fragen, jetzt musste sie sich aber beeilen, um nicht zu spät zur Probe zu kommen.
Michael traf wenige Minuten nach Mabel im Gemeindesaal ein und setzte sich neben Jennifer. Er hatte sich wieder völlig unter Kontrolle, nichts wies auf den Streit mit dem Tierarzt hin. Als Eric Cardell mit der Probe begann, hob Mabel die Hand und sagte: „Rachel Wilmington ist noch nicht da. Können wir noch ein paar Minuten warten?“
„Rachel ist krank, sie hat mich vorhin angerufen“, erwiderte Eric und fuhr dann geschäftsmäßig fort: „Wir beginnen heute mit der Szene zwischen Mary und Charles, in der sie sich zum ersten Mal küssen. Jennifer, Michael, auf eure Plätze, bitte.“
Mabel hatte nicht gewusst, dass Michael Hampton die Rolle von Charles II. spielte. Gebannt verfolgte sie die kleine Liebesszene, die von den beiden jungen Leuten so intensiv gespielt wurde, dass Mabel keinen Zweifel hatte, dass die beiden wieder ein Liebespaar waren. Da allerdings in früheren Proben Sarah die Mary spielte und Michael und sie sich küssen mussten, konnte sie sich lebhaft vorstellen, wie wenig Jennifer darüber erfreut gewesen sein musste. Sie fragte sich, was Rachel wohl fehlte. Das Mädchen musste ernsthaft krank sein, wenn es eine Probe versäumte, denn Mabel hatte den Eindruck gewonnen, Rachel bedeute das Theaterspielen sehr viel, auch wenn sie nur eine unbedeutende Nebenrolle hatte.
Später probten sie erneut die Hinrichtungsszene, und Mabel freute sich, als sie von Eric für das Kostüm gelobt wurde. Es passte Alex wie angegossen. In der schwarzen Kapuze mit den Augenschlitzen sah er furchterregend und beeindruckend aus.
„Gute Arbeit, Mabel.“ Eric nickte anerkennend und ein paar Schauspielerinnen, vorrangig die älteren, klatschten. „Kannst du nachher kurz bei Rachel vorbeifahren und die anderen Kostüme abholen? Es wäre schön, wenn sie bis zur nächsten Probe am Freitag fertig sein könnten.“
Mabel nickte, und als sich die Gruppe zu zerstreuen begann, bat sie Eric um Rachels Adresse.
„Jennifer Crown ist sehr glücklich, ihre Rolle wiederzuhaben“, sagte Mabel wie beiläufig,
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