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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Begleiterinnen, die beide die Schauspielerin sehr verehrten. Dorothea drohte Gustav schließlich: „Wenn du nicht sofort deine blöden Bemerkungen einstellst, gehe ich nie mehr mit dir ins Theater!“
    „Das war wohl eher ein Versprechen als eine Drohung“, sagte Karl Konstantin leise zu Gustav.
    Beide Herren begannen daraufhin zu lachen und wurden nun auch mit missbilligenden Blicken aus den Nachbarlogen bedacht. Das schien ihre gute Laune keineswegs zu trüben.
    Ein letztes Mal in diesem Jahr waren die hohen Herrschaften nach Schönbrunn hinausgepilgert, um den berühmten österreichischen Charakterdarsteller Josef Kainz in der Rolle des Oberon zu sehen. Nach seinen großen Erfolgen in den USA war er nun am Deutschen Theater in Berlin engagiert und nur für diesen einen Abend in sein geliebtes Wien gekommen. Der Ruf, der beste deutschsprachige Hamlet und der berechnendste und schaurigste Franz Moor zu sein, eilte ihm voraus. Das theaterverrückte Wien wartete sehnsüchtig darauf, dass er endlich für immer nach Österreich zurückkehren würde.
    Dorothea schien völlig hingerissen von seiner Darstellung. Und selbst Gustav musste zugeben, dass Josef Kainz den Oberon grandios verkörperte.
    Seine Blicke wanderten indes während der Vorstellung mehrmals hinüber zu einer der Seitenlogen. Eine wunderschöne junge Frau saß dort allein. Sie wirkte weniger begeistert von Josef Kainz, ließ ihren Operngucker häufig über die gegenüberliegenden Logen und die Besucher im Parterre schweifen.
    Nicht alle Frauen schwärmen von Josef Kainz, dachte Gustav und dieser Gedanke befriedigte ihn durchaus.
    Die Dame trug ein schulterloses Kleid mit tiefem Dekolletee und noch tieferem Rückenausschnitt. Sehr frivol, sehr gewagt.
    Karl Konstantin bemerkte Gustavs Interesse an der Schönen in der Loge schräg links von ihnen.
    „Ich kann dich mit ihr in der Pause bekannt machen, wenn du möchtest“, flüsterte er ihm ins Ohr. „Ihr Mann, Baron von Längenfeld, war ein Jagdfreund meines Vaters. Er ist übrigens schon ein bisschen vertrottelt, der gute Fritzl. Umso besser für dich. Das erhöht deine Chancen bei der Baronin. Die schöne Franziska langweilt sich bestimmt zu Tode mit diesem Greis. Aber Vorsicht, es heißt, dass er sich bei den Weibern am Spittelberg etwas geholt hat und deshalb mit seinen siebenundsechzig Jahren schon so vertrottelt ist.“
    Sein letzter Satz genügte, um Gustavs Begeisterung für die Dame schwinden zu lassen.
    Am Ende der Pause verabschiedete sich Karl Konstantin von den Damen. Er forderte Gustav auf, mit ihm auf eine Partie Billard ins Dommayer zu gehen. Doch Gustav fühlte sich verpflichtet, bei den Damen zu bleiben.
    „Hab ich’s mir gedacht, dass du kneifst. Dir ist das Wohlwollen der schönen Dorothea wichtiger als mein Vergnügen, hab ich Recht?“, scherzte Karl Konstantin. „Habe die Ehre, mein Freund, und viel Vergnügen mit Titania und ihrem heimtückischen Ehegespons wünsch ich allerseits.“ Und schon war er verschwunden.
    Nach der Pause kehrten Gustavs Blicke unwillkürlich zur jungen Baronin in der Seitenloge zurück. Vor allem, als er bemerkte, dass auch sie ihn mit ihrem Opernglas ins Visier genommen hatte.
    In diesem Moment drehte sich jedoch Dorothea zu ihm um und streifte mit ihren Lippen fast sein Ohr, als sie sagte: „Gib es zu, der Kainz ist der beste Schauspieler, den wir je auf einer Bühne gesehen haben.“ Sie strahlte ihn so begeistert an, dass er nicht anders konnte, als ihr einen Kuss auf die hohe Stirn zu drücken.
    Eine tiefe Röte überzog Dorotheas Wangen und sie drehte sich rasch wieder um.
    Nach diesem Kuss hatte Gustav jedes Interesse an der Frau mit dem fast obszönen Ausschnitt verloren.
    Als er später noch einmal einen Blick hinüber riskierte, weil er all dem Versteckspiel auf der Bühne nichts abgewinnen konnte, musste er feststellen, dass das Interesse der Baronin an ihm nachgelassen hatte. Sie hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt, ihr Kopf war auf ihre Brust gesunken. Anscheinend war sie eingeschlafen.
    Bis zum Ende der Vorstellung bemühte er sich redlich, dem leicht verwirrenden Geschehen auf der Bühne zu folgen. Hin und wieder entkam ihm sogar ein Lächeln.

Die Baronin war …
    Die Baronin war böse, schrecklich böse auf ihn. Wie konnte er es sich nur erlauben, sie bei ihrem ersten Rendezvous dermaßen zu brüskieren? Sie hatte ihm eine Einladung geschickt, da ihr Mann sie nicht begleiten wollte. Die Gicht hatte es ihm nicht erlaubt. Seine

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