Die Tote
hatte sie bei der Durchsuchung in Lauenheims Wohnung gefunden. Sie hatte sich dort verborgen gehalten, wollte ihr Kind bekommen und es gegen Geld zur Adoption freigeben. Das hatte sich ja nun zerschlagen. Maren erzählte ihr noch, dass die Untersuchungshäftlinge ziemlich stur seien und sich hinter ihren Anwälten verschanzten. Auch den Mord an Drillich und den Tod des Babys schoben sich Kiesler und Lauenheim gegenseitig in die Schuhe. Es würde schwierig werden, es einem von beiden nachzuweisen, aber immerhin wussten sie schon mal, dass Drillich versucht hatte, die beiden Männer zu erpressen. Mehr sei aus ihnen nicht herauszuholen gewesen oder besser gesagt, Ostermann hatte sich zwar redlich bemüht, ihnen aber nicht mehr entlocken können. Er sei ziemlich ärgerlich darüber, ließ Maren Charlotte wissen.
Das konnte Charlotte sich vorstellen. Sie verabschiedete sich und steckte ihr Handy weg. Dann brachte sie das Tablett mit dem schmutzigen Geschirr zur Sammelstelle und beschloss, einen Abstecher zu Sabrina Hartmann zu machen, die ebenfalls in der MHH untergebracht war. Als sie das Zimmer der jungen Frau erreichte, war diese verschwunden. Besorgt fragte sie die Stationsschwester, aber die konnte ihr nicht helfen.
»Vielleicht ist sie unten im Café«, sagte sie.
»Aber da war ich doch gerade«, antwortete Charlotte.
»Also weit kann sie nicht sein. Sie hat ja keine Klamotten, und an der Pforte wissen sie Bescheid, die hätten das gemeldet, wenn sie weg wäre.«
»Na, wenn Sie’s sagen«, murmelte Charlotte, nicht ganz überzeugt, »ich komm noch mal wieder.«
»Machen Sie das!«, rief die Schwester im Weggehen.
Charlotte ging zurück zu Bergheims Zimmer und staunte nicht schlecht, als sie den Raum betrat. Charlottes Platz am Bett ihres Lebensgefährten hatte Sabrina eingenommen. Sie saß still da, betrachtete den schlafenden Bergheim und hielt seine Hand.
»Hallo«, sagte Charlotte freundlich, als das Mädchen aufsprang. »Bleiben Sie sitzen, er wird sich freuen, Sie zu sehen.«
Bergheim schlug die Augen auf und blickte verwundert in Sabrinas Gesicht. Sie lächelte doch tatsächlich.
»Hey«, sagte er, »wie geht’s dir?«
»Gut«, flüsterte sie, »und dir?«
Fast wären ihm die Tränen gekommen. Endlich hatte sie mit ihm gesprochen.
»Auch gut«, entgegnete er und log dabei ein bisschen.
Es klopfte, und im nächsten Moment trat ein verdutzter Jan ins Zimmer. Sabrina verabschiedete sich hastig und ging.
Jan stand etwas unschlüssig herum.
»Hey, Alter«, begrüßte er dann seinen Vater.
»Hallo, Sohn«, antwortete Bergheim. Charlotte biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen.
»Äh … wie geht’s denn?« Jan stellte sich ans Fußende des Bettes.
»Gut«, wiederholte Bergheim, der sich langsam fragte, wann diese Aussage wohl der Wahrheit entsprechen würde. Da das Gespräch stockte, mischte Charlotte sich ein.
»Hast du schon gefrühstückt?«, fragte sie Jan.
»Nö.«
»Dann schlage ich vor, du holst das erst mal nach. Unten gibt’s wunderbare Hörnchen, auch mit Schokolade. Und dann kommst du zurück und löst mich hier ab. Okay?«
»Okay«, seufzte der Junge erleichtert und tippte sich an die Stirn. »Also, bis gleich dann.«
»Bis gleich.«
Charlotte setzte sich wieder ans Bett. Endlich hatte sie ihn wieder für sich allein. Sie ergriff seine Hand und küsste die Schrammen und blauen Flecken. »Was hast du denn bloß gemacht?«
»Steine geklopft.«
Charlotte kicherte und wurde dann ernst. »Erzähl mir, was passiert ist.«
»Eigentlich wenig und doch viel. An manches kann ich mich nicht genau erinnern. Jedenfalls hatte ich mir die Protokolle angesehen und bin auf den Namen ›Lauenheim‹ gestoßen. Und ich hab mich erinnert, dass der Name vor ein paar Jahren schon mal im Zusammenhang mit einer Vergewaltigung gefallen war. Es konnte ihm zwar damals nichts nachgewiesen werden, weil die Frau zu betrunken gewesen war, um sich konkret an die Tat zu erinnern. Aber nach allem, was ich aus seiner Akte wusste, war der alles andere als schwul. Und wenn der sich plötzlich als Homosexueller ausgab und obendrein unsere Tote gesehen haben wollte, dann musste da was faul sein. Ich konnte mich natürlich irren, aber reden wollte ich wenigstens mal mit dem Kerl.«
»Und was hat das Ganze mit der Bar am Steintor zu tun?«
»Mit der ›Leinelust‹? Gar nichts. Die ist nur zufällig neben dem Dönerimbiss, der dem Lauenheim gehört.«
»Ach, ich denke, der hat eine Sushi-Bar in
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