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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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meisten Menschen warfen solche Hassbriefe umgehend weg. Jeder, der Trantemento gekannt hatte – eine relativ kurze Liste –, wurde noch einmal befragt, um festzustellen, ob nicht doch eine Erinnerung losgerüttelt werden konnte. Gleichzeitig wurden Partisanengruppen kontaktiert, um festzustellen, ob sie von ähnlichen Drohschreiben wussten, und der Brief wurde in die Datenbanken der Polizei eingespeist. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie einen Durchbruch erzielten. Schon die Rechtschreibung deutete darauf hin, dass der Brief an Roblino nicht von einem kriminellen Superhirn verfasst worden war. Was Pallioti komischerweise am meisten verstörte. Enzo war anderer Meinung und wies ihn darauf hin, dass selbst ein Trottel Handschuhe anziehen und mit etwas Glück keine Spuren hinterlassen konnte. Die Waffe hatte er wahrscheinlich als Erinnerungsstück aufbewahrt.
    Pallioti holte tief Luft. Es war wärmer geworden. Aus den Bergen waberte Nebel herunter. Die Dämmerung senkte sich so schnell, dass er meinte, zusehen zu können, wie sie sich gleich einem dunklen Vorhang über die Dächer der Stadt legte.
    Er hatte eigentlich vorgehabt, nur schnell im Lupo vorbeizuschauen und dann ins Bett zu fallen, doch dann fiel ihm Saffys Ausstellung ein. Die Eröffnung hatte er tatsächlich verpasst, doch dank einer SMS wusste er, dass die Galerie an diesem Abend länger geöffnet hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr. Wenn er sich beeilte, schaffte er es noch zum Blumenhändler und konnte mit einem Versöhnungsstrauß bei ihr auftauchen.
    Pallioti hielt sich am Rand der Piazza, möglichst weit vom Polizeigebäude und von den wenigen noch ausharrenden Reportern entfernt, bis er den Blumenkiosk erreicht hatte, wo er ein Dutzend Schwertlilien kaufte. Inzwischen war es richtig neblig. Schwaden drängten sich zwischen die Gebäude, brachten die Pflastersteine zum Glänzen und ließen die Eingänge der kleinen Gassen dunkel und leer wirken. Die Geräusche plätscherten wie Wellen heran. Das Rauschen des Brunnens in der Mitte der Piazza wurde akzentuiert vom Tappen der Schritte, wenn jemand vorbeischlenderte oder -eilte.
    Während er den Strauß bezahlte, meinte Pallioti, seinen Namen zu hören. Die Münze noch in der Hand, sah er sich um. Aber hinter ihm gingen nur zwei Carabinieri vorbei, die mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Händen dahinschritten wie Priester. In ihr Gespräch vertieft, passierten sie den Kiosk, ohne ihn zu beachten. Pallioti schüttelte über sich selbst den Kopf, ließ die Euros in die Hand des Alten fallen und steuerte auf die Gasse zu, die ihn Richtung Arno bringen würde.
    »Ispettore?«
    Das Wort schien aus dem Nichts zu kommen. Pallioti war nicht einmal sicher, dass er es wirklich gehört hatte. Er kam kurz aus dem Tritt. Dann blieb er vor dem Balkon stehen, unter dem sich zwei feucht gewordene Rucksacktouristen über ihren Reiseführer beugten. Sie schienen ihn gar nicht bemerkt zu haben.
    »Ispettore Pallioti?«
    Diesmal waren die Worte lauter. Er drehte sich so abrupt um, dass ihm fast der Strauß aus der Hand gerutscht wäre.
    Im diesigen Licht machte er die Umrisse eines Frauenmantels aus. Die Gestalt schien ein paar Meter vor ihm zu schweben und sich am Eingang einer Gasse aus der Dunkelheit zu schälen.
    Pallioti stockte kurz der Atem. Sein Herz begann, nervös zu pochen. Von dort, wo er stand, konnte er das Gesicht nicht erkennen, aber er sah, dass die Frau dunkles Haar hatte.
    »Ispettore Pallioti?«
    Es war eine eigentümliche Stimme. Irgendetwas stimmte nicht daran, das Echo wurde irgendwie schwach und flach von den Steinen zurückgeworfen.
    »Bitte«, sagte sie. »Bitte. Ich muss mit Ihnen sprechen.«
    Als sie auf ihn zukam, trat Pallioti unwillkürlich einen Schritt zurück. Instinktiv griff er an seine Manteltasche, als hätte das kleine rote Buch diese Erscheinung heraufbeschworen. Oder als könnte es sie vertreiben.
    »Nein!«, rief sie, als er sich auf die Piazza zurückziehen wollte. »Nein, bitte nicht!« Mit einer kleinen, hellen, fast kindlichen Hand griff sie nach ihm.
    »Ich habe Ihnen schon mehrere Nachrichten hinterlassen.« Sie trat auf ihn zu und redete dabei beschwörend auf ihn ein. »In Ihrem Büro. Ich habe Ihrem Sekretär meine Nummer gegeben …«
    Guillermo. Gestern hatte er zwei weitere Nachrichten bekommen. Wie hatte er es ausgedrückt? Dass das Italienisch der Frau fehlerfrei sei, sie aber einen amerikanischen Akzent habe?
    Der Bann brach wie

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