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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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finden, der bereit ist, für eine Frau zu arbeiten. Ich will die Schmiede für Thomas erhalten. So, jetzt wisst Ihr, welchen Grund Gregor für ein Gespräch mit Grevenrath gehabt haben könnte.“ Abrupt stand Johanna auf und stieß dabei den Stuhl energisch nach hinten, so als wolle sie einen Schlussstrich unter dem Thema ziehen. Ich erhob mich ebenfalls und trat zu ihr . Sie schaute zu mir hoch. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie ein neues Überkleid aus nachtblauem Samt trug. Die Farbe passte zu ihren Augen.
    „Danke“, sagte ich leise, „danke, dass Ihr mir das alles erzählt habt. Zumindest verstehe ich jetzt einiges besser.“
    „Ich hoffe bei Gott, es hilft“, entgegnete Johanna. Sie legte mir die Hände flach auf die Brust, so als wollte sie näherkommen und gleichzeitig Abstand wahren. „Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Konrad.“
    Leise ging Johanna aus dem Rau m und zog die Tür hinter sich zu.

12
    Eigentlich wollte er schreien, aber es kam nur ein Stöhnen über seine Lippen. Bruder Nolden krümmte sich zusammen. Die Schmerzen in seinem Bauch wurden unerträglich. Plötzlich endeten die Krämpfe. Nolden entspannte sich. Einen Augenblick später aber sprang er von seinem Strohsack auf und erbrach sich würgend in seinen Nachttopf. Er kniete auf dem Boden, als die Krämpfe erneut wie eine Welle über ihn hereinbrachen, diesmal noch heftiger als beim ersten Mal. Als sie nachließen, versuchte er sich aufzurichten. Sein Mund war trocken, er hatte Durst, seine Zunge brannte. Er brauchte Wasser. Dort auf dem T isch stand ein Wasserkrug. Zwei, drei Schritte nur. Bruder Nolden brach bei dem dritten Anfall kurz vor dem Tisch zusammen. Er spürte, wie seine Blase nachgab und es warm an seinem Bein herunterlief. Er zitterte, es war, als würde Eiswasser durch seine Adern fließen. Der Raum verschwamm vor seinen Augen. Alles um ihn herum schien in ein gelblich grünes Licht getaucht zu sein. Sein Herz raste, und Nolden konnte seinen eigenen Atem rasselnd hören. Als die Schmerzen das letzte Mal durch seinen Körper zuckten, hatte er kein Gefühl mehr in seinen Händen und Beinen. Der Rest seines Körpers schien nur noch aus glühenden Schmerzen zu bestehen. Ihm wurde schwarz vor Augen, er verlor jedes Zeitgefühl. Lag er jetzt erst seit ein paar Minuten auf den Steinplatten, oder schon seit Stunden? Er hatte sich immer gefragt, wie es sein würde, einmal zu sterben. Würde er ruhig im Bett die Augen schließen? Würde sein Leben noch einmal an ihm vorüberziehen? Oder würde er, wie damals Bruder Bernhard, mitten in einem Gebet sanft einschlafen? In einem letzten wachen Moment musste Bruder Nolden, Apotheker der Minderen Brüder in Andernach, erkennen, dass der Tod für ihn nur eines bereithielt: Qualen, unerträgliche Qualen. Dann schlug sein Herz zum letzten Mal.

13
    Draußen regnete es. Nein, es regnete nicht nur – es schüttete. Auf dem Hof schoss das Wasser förmlich durch die Abflussrinnen. Ich stand in der Tür und zögerte. Durch den dichten Regenschleier konnte man Johannas Haus kaum erkennen. Nach dem Frühstück heute Morgen hatte sie vergeblich nach Thomas gerufen. Der war – trotz des Sauwetters – sicher wieder zum Hafen gelaufen. Jetzt war alles still. Johanna wollte ja zum Bürgerturm, um mit Gregor zu sprechen. Eine schlanke Gestalt huschte zur Hintertür: Thomas.
    „Deine Mutter ist nicht da, sie ist in die Stadt gegangen“, rief ich herüber. Thomas wirbelte herum – er hatte mich vorher nicht bemerkt.
    „Na, komm schon rüber, sonst bekommst du noch Flossen bei dem Regen.“ Thomas zögerte, entschied sich aber letztlich dafür, dass es bei mir im Haus allemal gemütlicher war, als weiter an der Hintertür im Regen zu warten. Ich nahm schnell eines der Tücher, die Johanna immer neben meiner Waschschüssel stapelte. Zögernd kam Thomas herein. Ich warf ihm das Tuch zu, das er geschickt auffing. „Komm, trockne dich ab, und dann zieh dein Wollhemd aus, damit wir es zum Trocknen aufhängen können.“ Ich holte aus der Truhe eines meiner Leinenhemden und warf es ihm zu. Thomas war spindeldürr und schlaksig, mein Hemd hätte er als Nachthemd tragen können. Er blickte an sich herunter, und zum ersten Mal, seit ich hier wohnte, sah ich ihn lächeln. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, verschwand das Lächeln wieder. Während der ganzen Zeit hatte er kein einziges Wort gesagt. „Möchtest du etwas essen oder trinken?“, fragte ich ihn. Stumm schüttelte er den Kopf. Noch immer

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