Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
dasselbe Modell von derselben Marke, soweit Ursula sich erinnerte. Vor ihrem inneren Auge sah sie die beiden im Sommer in identischen Trainingsanzügen und Crocs vor einem Zelt an irgendeinem See sitzen. Obwohl das nie so sein würde und nicht passiert sein konnte, denn die Crocs waren noch nicht in Mode, als die beiden Wanderer zufällig in die Ereignisse im Fjäll hineingerieten, die sie offenbar das Leben gekostet hatten.
Ursula drehte die Rucksäcke behutsam um. Sie waren in erstaunlich gutem Zustand, wenn man bedachte, wie lange sie in der Erde gelegen hatten. Natürlich waren sie erd- und lehmverschmiert, und hier und dort hatten sich Feuchtigkeit und Schimmel durch das Gewebe bis zum Inhalt hindurchgefressen, aber davon abgesehen schienen sie relativ unversehrt.
Die Kollegen hatten sie etwa zehn Meter von den Leichen entfernt gefunden. Das bestätigte nur erneut, dass es für den oder die Mörder keine Rolle spielte, ob man die Holländer identifizierte oder nicht. Deshalb war es umso verwunderlicher, dass der Täter sich die Mühe gemacht hatte, neben dem Grab ein neues Loch zu graben, aber darüber wollte Ursula nicht spekulieren. Das gehörte nicht zu ihrem Job.
An dem einen Rucksack war unten mit zwei Gurten ein Zelt befestigt. Ursula nahm es vorsichtig ab und legte es für einen Moment zur Seite, ebenso wie einen dunkelgrünen Plastikbecher, der daneben an einem Metallhaken hing. Sie drehte den Rucksack auf dem Tisch mit der Oberseite zu sich. Obenauf lagen die Reste einer Isomatte und eines Schlafsacks, die mit denselben Riemen befestigt gewesen waren wie auch das Zelt. Sie entfernte sie, legte sie neben das Zelt und machte sich daran, den Rucksack zu öffnen. Die Plastikschnalle war voller Kies und Schmutz, ging aber dennoch relativ leicht auf. Als sie das Deckelfach zurückschlagen wollte, fühlte sie, dass etwas darin lag, und zog an dem Reißverschluss. Aber die Rucksäcke hatten so lange in der Erde gelegen, dass sich der Reißverschluss nicht öffnen ließ. Sie nahm ein kleines Messer vom Tisch und schnitt die Deckeltasche oberhalb des Reißverschlusses auf. Dann holte sie den Inhalt heraus. Löffel, Gabel und Messer aus Metall. Ein Schweizer Taschenmesser mit zahlreichen Klingen und Funktionen. Eine Plastikflasche mit Mückenspray, außerdem zerfaserte Taschentücher und Wundpflaster. In dem anderen Deckelfach lag etwas, das kaum noch identifizierbar war, aber Ursula erriet mit Hilfe der Verpackungen, dass es sich einmal um eine Tüte mit Schokolade, Nüssen, Rosinen und anderen energiereichen Leckereien gehandelt hatte.
Sie durchschnitt die dünne Schnur, die den eigentlichen Rucksack verschloss, und begriff sofort, dass die Sorgfalt von Jan und Framke Bakker ihr die Arbeit ein wenig erleichtern würde. Alle Kleidungsstücke waren ordentlich in separate, gut verschlossene Plastiktüten verpackt. Ursula holte Tüte für Tüte hervor und legte sie auf den Tisch. Dann befühlte sie sämtliche Außenfächer des Rucksacks, holte aus dem einen eine Wasserflasche hervor und aus dem anderen eine Flasche Brennspiritus. Ganz unten lagen ein Kulturbeutel und ein Sturmkocher. Als der Rucksack leer war, legte Ursula ihn zur Seite und begann, die Tüten zu öffnen. In den meisten befand sich Kleidung. Wie sie schon an dem schweren Zelt erraten hatte, war dies Jans Rucksack. Boxershorts, T-Shirts, Regensachen, ein warmer Pullover, lange Unterwäsche. Ein Rasierer, Seife, Kondome, eine Zahnbürste und Zahncreme im Kulturbeutel. Ursula hielt inne und betrachtete die Sachen, die sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Die meisten waren aus Plastik – oder darin eingewickelt gewesen, weshalb die Zeit kaum Spuren hinterlassen hatte. Es waren die üblichen praktischen Dinge, die man für einen einwöchigen Urlaub einpackte. Eine Woche, die die Bakkers sicher lange geplant hatten und auf die sie sich lange gefreut hatten. Und dann waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Mit einem leisen Seufzer zog Ursula den zweiten Rucksack zu sich heran. Auch hier nahm sie die Isomatte und den Schlafsack ab, ehe sie die Deckeltasche öffnete, und auch diesmal erkannte sie am Gewicht, dass Gegenstände im Deckelfach verstaut waren. Sie wollte gerade erneut das Messer ansetzen, als ihr Telefon klingelte. Eine Nummer, die sie nicht kannte. Sie meldete sich.
«Ja, hallo?»
«Spreche ich mit Ursula Andersson?», fragte eine weibliche Stimme in norrländischem Singsang.
«Ja», bestätigte Ursula und ertappte
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