Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
ein wenig enttäuscht aus. «Sie fragt, auf welche Weise Sie glauben, ihr helfen zu können. Ob Sie unsere Männer etwa zurückbringen könnten?» Dann fügte Shibeka noch hinzu: «Es tut mir leid, sie ist nicht besonders positiv eingestellt.»
«Das macht nichts, ich kann das verstehen. Aber wäre es denn nicht besser, zumindest irgendetwas zu erfahren, anstatt gar nichts zu wissen?»
«So denkt sie nicht.»
«Will sie denn gar nicht wissen, was passiert ist?»
«Nein. Sie weiß, was passiert ist. Er kam nach Schweden. Arbeitete hart. Verhielt sich anständig. Ein redlicher Mann. Und trotzdem verschwand er.»
«Genau deshalb wollen wir doch herausfinden, was geschehen ist. Gerade weil er ein redlicher Mann war.»
Wieder sprachen die beiden Frauen Paschtu. Linda lehnte sich zurück und versuchte, entspannt auszusehen. Sie durfte jetzt auf keinen Fall neugierig wirken. Da sie die Sprache der Frauen nicht beherrschte, war ihre Körpersprache umso wichtiger. Jetzt schien Shibeka etwas gesagt zu haben, was Wirkung zeigte. Jedenfalls klang Melikas Paschtu ein bisschen melodiöser und weniger widerspenstig, als sie erneut zu reden begann.
«Sie sagt, dass Sie fragen können.»
Linda blickte auf ihre Notizen. «Said hatte eine Aufenthaltsgenehmigung, oder?»
«Das stimmt.»
«Und er hatte ein eigenes Geschäft?»
«Zusammen mit zwei Cousins von Melika. Said wollte an diesem Abend den Laden abschließen und nach Hause gehen, aber er kam dort nie an.»
«Und die Cousins wissen nichts?»
Shibeka schüttelte den Kopf. «Ich habe sie selbst gefragt. Sie waren einige Stunden früher gegangen.»
«Fragen Sie doch Melika auch», bat Linda. «Ich möchte es von ihr hören.»
Erneut Paschtu. Die Antwort kam schnell.
«Sie sagt dasselbe.»
«Und er hatte keine Geldnöte oder irgendwelche anderen Probleme?»
Melika lächelte, als sie die Frage verstanden hatte. Shibeka auch.
«Wir wohnen zwar in diesem Stadtteil. Aber Said war sehr erfolgreich», erklärte Shibeka. «Eigentlich mehr als alle anderen. Er war ein sehr tüchtiger Mann.»
Linda lächelte sie an, war jedoch ein wenig frustriert. Es war ein nettes Gespräch, aber irgendwie kam nichts dabei heraus. Sie musste ihre Fragen zuspitzen, um etwas zu erreichen.
«Kam in den Wochen darauf ein Mann zu ihr und erkundigte sich nach Said? So wie bei Ihnen?»
«Sie sagt nein», antwortete Shibeka. «Niemand kam.»
Linda nickte.
Aber sie sagt auch noch etwas anderes, dachte Mehran und starrte Melika an. Er hatte schweigend dagesessen und dem Gespräch mit steigendem Puls zugehört. Melikas Stimme nahm einen anderen Ton an, sobald die Fragen heikel wurden. Er glaubte, dass seine Mutter den Unterschied auch bemerkt hatte.
Melika log. Davon war er überzeugt. Und es war ein Mann bei ihr aufgetaucht, auch davon war er überzeugt. Er schaltete sich in die Diskussion ein.
«Und Joseph? Sagt dir der Name etwas, Melika?», fragte er sie auf Paschtu. Melika wandte sich ihm zu. Sie sah ängstlich aus. Linda schaute Mehran an.
«Was hast du gerade gesagt?»
Mehran ignorierte die Schwedin und warf seiner Mutter einen strengen Blick zu. «Mama, übersetz das nicht. Das bleibt unter uns!»
Jetzt saß ihm eine andere Melika gegenüber als die, die er kannte. Eine Frau, die auf keinen Fall dort sein wollte. Sie zischte ihn an: «Ich weiß nicht, von wem du redest. Nie gehört.»
Er wusste, dass sie wieder log.
«Said kannte ihn, das weiß ich. Jetzt sag endlich die Wahrheit. Nicht für sie hier», forderte er mit einer Kopfbewegung in Lindas Richtung, «sondern für uns.»
Melika schüttelte erbost den Kopf. «Ich weiß nicht, wer das ist, das habe ich doch schon gesagt.»
Sie verstummten.
Linda betrachtete die Szene verwirrt. «Kann mir jemand erklären, was sie sagt?»
Mehran sah Shibeka an, dass sie etwas sagen wollte, aber er kam ihr zuvor. «Sie sagt, dass sie nicht mehr reden will.»
Linda hob resigniert die Arme. «Aber warum?»
«Mehr sagt sie nicht», antwortete er nur und stand auf. «Dann sind wir wohl fertig.»
Linda starrte ihn an. «Wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen!» Sie war frustriert.
Mehran konnte sie verstehen. Sie ahnte, dass etwas passiert war, konnte aber unmöglich wissen, was. Doch die Wahrheit würde noch kommen. Nicht zu der Blonden, mit der seine Mutter gesprochen hatte. Nicht zu dem Journalisten, der in der Küche saß. Sie würde zu diesem Mann kommen.
Zu Joseph.
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