Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
fragte er.
Anitha überlegte, welche Restaurants sie kannte. Sie wollte möglichst weit vom Polizeipräsidium entfernt essen.
«Auf der St. Göransgatan gibt es einen ganz guten Italiener. Wenn das für dich in Ordnung ist?»
«Ja, das klingt gut. Ich esse fast nur in der Kantine.»
Oder bei McDonald’s, so wie du aussiehst, dachte Anitha. Laut sagte sie: «Dann kann ein bisschen Abwechslung nicht schaden, nicht wahr?» Sie tätschelte seinen Arm und schlug den Weg in Richtung Kronobergsparken ein. Er nickte, und sie schlenderten den steilen Hang hinauf, der in den Park hineinführte. Es war ein schöner Herbsttag, auch wenn das Gras noch immer feucht war. Sie begegneten einigen Frauen mit Kinderwagen. Je weiter sie sich vom Polizeipräsidium entfernten, desto leichter wurden ihre Schritte. Es war, als fühlten sie sich von den Mauern des Kolosses hinter ihnen befreit, und das Gespräch wurde auch lebhafter, als Anitha es erwartet hatte. Sie versuchte, es thematisch vor allem auf ihn zu beschränken. Das war nicht schwer, denn sie fragte, und er antwortete, und zu ihrer Verwunderung stellte sie fest, dass er im Grunde ein ziemlich netter Typ war.
Sie gelangten zum Fridhemsplan, und Anitha schlug vor, einen längeren Spaziergang zu unternehmen, vielleicht sogar bis zum Restaurant Mälarpaviljon, das am Nördlichen Strand des Mälaren lag. Es habe noch geöffnet, erklärte sie, und sie sei schon seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Er habe noch nie dort gegessen, würde es aber gern ausprobieren, erwiderte er. Sie hätte wohl auch jedes andere Restaurant vorschlagen können, und er wäre brav mitgekommen.
Sie gingen in Richtung Wasser. Anitha überlegte, wann sie es wagen konnte, auf den eigentlichen Grund für dieses Essen zu kommen. Sollte sie warten, bis sie im Restaurant saßen, bis zum Kaffee oder lieber, bis sie auf dem Rückweg waren? Aber je länger sie wartete, desto schwieriger würde es womöglich, das Gespräch unauffällig auf ihr Thema zu lenken. Schließlich sollte er glauben, dass sie ihn fragte, weil sie gerade so nett beisammensaßen und weil sie ihm vertraute. Es war schwierig. Vielleicht wäre es am besten, bis zum Kaffee zu warten.
Sie war verstummt und schien beunruhigt zu wirken, denn Morgan blieb stehen und sah sie forschend an.
«Ist etwas passiert?», fragte er. «Du schaust ein bisschen traurig aus.»
Sie sah zu ihm auf und beschloss, dass genau dies die Gelegenheit war. Wenn er glaubte, sie wäre verzweifelt, konnte sie auf dieser Schiene ansetzen.
«Ich muss dir etwas gestehen.»
Ihre Stimme klang ernst und direkt. Ganz anders als zuvor. Eigentlich war sie recht zufrieden mit ihrem Tonfall.
«Was denn?»
«Ich habe ziemlichen Mist gebaut. Eigentlich kannst du es ja auch gleich erfahren. Es geht um das Datensystem. Im Präsidium.»
Er erbleichte und blieb, wie vom Donner gerührt, stehen.
«Was ist denn passiert?»
Anitha wandte ihren Blick ab und sah zum Mälaren hinüber. Seine Reaktion war etwas zu heftig. Wenn er schon nervös wurde, noch bevor sie überhaupt erzählt hatte, worum es ging, wie würde er dann erst auf ihre Frage reagieren? Aber jetzt war es zu spät. Sie war gezwungen, ihre Strategie fortzuführen.
«Lass uns doch erst ins Restaurant gehen. Ich wollte schließlich nicht mit dir zu Mittag essen, um dich mit meinen Problemen zu belästigen.» Sie versuchte, so tapfer wie möglich zu klingen und gleichzeitig zu signalisieren, dass sie jemanden zum Reden brauchte. Ihn. «Dann hast du auch schon etwas im Magen, bevor du denkst, dass ich eine Vollidiotin bin», fuhr sie fort und sah zu Boden.
«Ich denke doch nicht, dass du eine Idiotin bist.»
«Du weißt ja noch nicht, was ich angestellt habe.»
«Dann erzähl es mir doch.»
Sie holte tief Luft und sah beschämt zur Seite. Jetzt musste sie Schwäche zeigen.
«Ich sollte einer Freundin helfen, etwas im System zu finden, habe aber aus Versehen auf die falsche Taste gedrückt. Dann war die Sache plötzlich einfach verschwunden, und jetzt kann ich sie nicht wiederfinden.»
Morgan lachte erleichtert und beruhigte sich wieder. Er sah überhaupt kein Problem darin. Verständlich. Sie hatte ja auch noch nicht alles erzählt.
«Aber das ist doch nur eine Kleinigkeit. Man muss es nur wieder einfügen. Nach dem Essen werde ich dir helfen.»
Sie nickte stumm. Versuchte, den richtigen Moment für die Frage abzupassen, die sie stellen musste. Sie ging ein paar Schritte. Hoffte, dass gut gespielte Sorge ihren
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