Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
wem?
Er hatte keine Ahnung. Zum einen war dieses Wissen offenbar lebensgefährlich, zum anderen bestand das Risiko, dass ihm niemand glauben würde. An wen sollte er sich also wenden? Er müsste mit jemandem reden, der ihn kannte. Jemand, der wusste, dass er kein Mensch war, der übertrieb oder sich Dinge ausdachte. Außerdem musste die betreffende Person die Information weitergeben, ohne dabei seinen Namen zu erwähnen. Es musste ein Polizist sein.
Doch obwohl er schon seit so vielen Jahren hier arbeitete, kannte er nicht sonderlich viele Polizisten. Seine Kollegen waren vor allem Zivilangestellte, und sie würden ihm nicht helfen können. Der Einzige, der ihm daneben einfiel, war ein junger Typ von der Reichsmordkommission, der seine Computerbegeisterung teilte.
Ab und zu unterhielten sie sich. Vor allem über Festplatten und Netzwerke. Aber er war immer nett. Schien viel auf dem Kasten zu haben. Außerdem würden die Polizisten in dieser Abteilung doch wohl ihre Informanten geheim halten dürfen? Vielleicht würde er ihn fragen, was er tun sollte. Billy Rosén wusste bestimmt eine Antwort.
Das hoffte er jedenfalls.
Anitha erzählte er nichts von seinen Plänen, das kam nicht in Frage. Er war sich darüber im Klaren, dass dies das Ende ihrer Beziehung bedeutete, oder wie auch immer man das, wozu er sie erpresste, nennen sollte. Aber das war nicht zu ändern. Jetzt war er gezwungen, sich selbst zu retten.
Die Reichsmordkommission saß im dritten Stock.
Jetzt war der Geschmack in seinem Mund wieder da. Diesmal war es eindeutig keine Liebe, sondern nur noch Furcht.
Er bat darum, Billy unter vier Augen sprechen zu dürfen.
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J ennifer wurde von der Einsicht überrascht, wie schnell sich die Dinge manchmal änderten, als sie auf der Rückbank des Wagens saß, der gerade die Tiefgarage unter dem Polizeipräsidium in Kungsholmen verließ und nach links abbog.
Vor einer knappen halben Stunde hatte Billy Besuch von einem übergewichtigen, bärtigen Mann in einer schrecklich unvorteilhaften beigen Jacke gehabt. Billy hatte ihn als Morgan Hansson vorgestellt, einen Kumpel aus der IT-Abteilung. Morgan hatte sie kaum begrüßt, ehe er darauf bestanden hatte, allein mit Billy sprechen zu dürfen.
Fünf Minuten später sah sie Billy in Torkels Büro rennen, und kurz darauf waren sie alle im Konferenzraum versammelt. Alle bis auf Vanja. Niemand wusste, wo sie war, sie ging nicht an ihr Handy, aber das schien momentan nur Sebastian Sorgen zu bereiten. Die anderen konzentrierten sich auf Billy, während er berichtete, dass Morgan einer Kollegin einen Gefallen hatte tun wollen, in den Backups gesucht und einen Namen gefunden hatte, der aus einer Datei gelöscht worden war. Er hatte ihn seiner Kollegin genannt, die ihn wiederum an Lennart Stridh weitergegeben hatte.
«Er ist tot, wusstet ihr das?», hatte Jennifer eingeworfen, unsicher, ob die anderen auf dem Laufenden waren. «Er starb vor einigen Stunden bei einem Autounfall.»
Alle nickten. Sie hatten es schon gehört.
Billy fuhr fort: «Bei der Datei handelt es sich um einen Bericht zu einer sogenannten unkontrollierten Ausreise im Herbst 2003. Hamid Khan und Said Balkhi. Die Polizei in Solna wurde angewiesen, die Suche nach ihnen einzustellen, und die Säpo übernahm den Fall. Der Verantwortliche dort hieß: Adam Cederkvist.»
Alle schwiegen. Was sie gerade gehört hatten, konnte unmöglich stimmen, weshalb Ursula schließlich nachfragte: «Meinst du unseren Adam Cederkvist?»
Billy nickte.
«Aber wie hängt das mit dem Fall zusammen?», fragte Jennifer.
«Keine Ahnung. Aber Lennart Stridh hat den Namen gestern erfahren, und heute ist er tot.»
«Warum hat sich Nachgeforscht für den Fall interessiert?»
«Das wusste Morgan nicht.»
«Wie heißt die Kollegin, der er helfen wollte?»
Weitere fünf Minuten später mussten sie Anitha Lund mehr oder weniger auf einen Stuhl zwingen. Voller Empörung erklärte sie ihnen, dass sie genau wisse, welche Rechte sie habe, und auf keinen Fall etwas zu sagen gedenke. Eine Minute und ein gedämpftes Gespräch mit Torkel später hatte sie ihre Meinung geändert.
Sie wusste lediglich, dass Hamid Khans Frau Shibeka zu Lennart Kontakt aufgenommen hatte. Anithas Neugier war geweckt worden, als sie entdeckt hatte, dass der Name des Verantwortlichen für den Fall bei der Säpo aus dem Originaldokument entfernt worden war.
«Wann wurde der Name gelöscht?»
Sie nannte ihnen ein Datum. Nur wenige Tage
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