Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Mit dem Finger folgte er einem dicken schwarzen Strich, auf dem der blaue Punkt langsam entlanglief.
«Das sind die Gleise. Er ist im Zug, bald wird er in Södertälje ankommen.»
«Wo Charles Cederkvist seinen Militärdienst abgeleistet hat», bemerkte Jennifer.
Billy klappte den Laptop zu und klemmte ihn unter den Arm. Dann eilten Jennifer und er aus dem Raum.
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S hibeka hatte so oft angerufen, dass er gezwungen war, das Handy auf stumm zu schalten. Jetzt vibrierte es stattdessen andauernd. Er ignorierte es. Zwischen zweien ihrer Anrufe rief er schnell Joseph an, als der Zug in die Station von Östertälje einfuhr, so wie sie es vereinbart hatten.
Die knarrende Stimme meldete sich sofort.
Joseph würde an der nächsten Station auf ihn warten. Direkt davor auf dem Parkplatz.
Mehr sagte die Stimme nicht.
Mehran auch nicht.
Das war auch nicht nötig.
Mehran stellte sich an die Zugtüren, die eine Hand in der Tasche. Das Metall war nicht mehr so warm wie zuvor. Auch ihm war nicht mehr warm. Stattdessen brach ihm ein kalter Schweiß aus, der ihn fast erschaudern ließ.
Es war normal, Angst zu haben. Es war kein Fehler.
Der einzige Fehler, den man machen konnte, war, nichts zu wagen. Auch Krieger hatten Angst, wie er jetzt begriff. Mut war, wenn man handelte, obwohl man Angst hatte.
Kurz darauf wurde der Zug langsamer. Södertälje hamn. Er betrat den Bahnsteig und sah ein Stück entfernt das rote Bahnhofsgebäude. Er ging in die Richtung, denn dort musste auch der Ausgang sein. Es war ein besseres Gefühl zu gehen als still zu stehen. Die kalte, feuchte Angst war noch immer da, aber die Bewegung machte es leichter, mit ihr umzugehen. Er betrat das imposante Ziegelgebäude. Sah die großen Türen, die zum Parkplatz führten. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn Joseph wirklich dort stehen und auf ihn warten würde. Er war erleichtert, dass sie sich an einem Ort trafen, wo viele Menschen unterwegs waren. Das erschien ihm sicherer als in einer Wohnung. Einige der anderen Mitfahrer gingen hinter ihm, und er wurde langsamer, damit sie ihn überholten. Er hatte keine Eile, und er fühlte sich geschützter, wenn er andere Menschen vor sich hatte. Langsam folgte er ihnen hinaus. Auf dem kleinen Parkplatz standen etwa zehn Autos. Zwei der anderen Fahrgäste wurden von einem roten Ford abgeholt, der direkt neben dem Eingang hielt. Einige gingen zu der Bushaltestelle hinüber. Die anderen verteilten sich in unterschiedliche Richtungen. Bald war er allein. Er blieb vor dem Ausgang stehen und sah sich um.
Ein Mann stieg aus einem schwarzen, blankpolierten BMW. Er stellte sich neben das Auto und ließ Mehran nicht aus den Augen. Mehran erkannte ihn nicht wieder. Er sah arabisch aus und war schätzungsweise fünfzig Jahre alt. Hatte eine sportliche Figur, kurze graue Haare und einen grau melierten Dreitagebart. Er trug eine kurze, schwarze Lederjacke, Jeans und Loafers. Das Auto und die Jacke ließen ihn reich aussehen. Mächtig. Oder Mehrans Gehirn spielte ihm einen Streich. Schließlich nickte der Mann Mehran zu, und er erwiderte den Gruß. Dann begann der Fremde, langsam auf ihn zuzugehen. Das passte ihm gut. Josef sollte zu ihm kommen. Nicht umgekehrt. Allerdings wusste er nicht, was er mit seinen Händen anstellen sollte. Er wagte es nicht mehr, dass Metall zu befühlen. Der Mann konnte die Bewegung sehen und verstehen, dass er bewaffnet war. Also ließ er die Hände seitlich herabhängen und fühlte sich nicht wohl dabei, aber er hatte keine Idee, wo er sie sonst lassen sollte. Er wollte keinen nervösen Eindruck machen. Wollte nicht, dass der Mann, den er für Joseph hielt, das Gefühl hatte, er hätte die Oberhand. Leider ging dieser jedoch völlig unbekümmert auf ihn zu, als würde er gerade einen alten Freund vom Bahnhof abholen. Sein Körper strahlte nicht einen Hauch von Nervosität aus. Das ärgerte Mehran. Er wollte, dass Joseph Angst vor ihm hatte.
Ihn fürchtete.
Nicht umgekehrt, so wie jetzt.
«Du wolltest mit mir reden», sagte der Mann, als nur noch etwa fünf Meter zwischen ihnen lagen.
Er war es. Diese Stimme zu hören, war etwas Besonderes. Nicht am Telefon. Nicht als Erinnerung, sondern in Wirklichkeit und so nah. Jetzt wusste Mehran noch viel weniger, wohin mit den Händen.
«Ich habe ein paar Fragen zu meinem Vater», sagte er laut und deutlich. Seine Stimme zitterte nicht. Das war immerhin etwas.
«Hamid, das war dein Vater, oder?», fragte Joseph und blieb
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