Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
nichts passiert. Joseph wartete, bis sie ganz verschwunden waren, ehe er den Jungen hinter das nächste Auto schleifte. Dann sprang er in seinen BMW, parkte aus und fuhr im Rückwärtsgang bis zu dem bewusstlosen Jungen. Mehran wog weniger, als er gedacht hatte, stellte Joseph fest, als er ihn in den Kofferraum warf. Schön. Körper, die zu viel wogen, machten immer Probleme. Er nahm sein Handy und rief Charles an.
Der meldete sich sofort.
Das tat er immer.
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S ie hatten das Blaulicht an. Jennifer saß am Steuer. Gerade waren sie auf den Essingeleden eingebogen und hatten schon fast hundertvierzig Stundenkilometer erreicht. Torkel klammerte sich aus alter Gewohnheit an dem Griff am Dach fest, irgendwie verlieh ihm das ein Gefühl von Sicherheit. Er hätte es lieber gesehen, dass Billy fuhr, er war der beste Fahrer im Team, wenn es um hohe Geschwindigkeit ging. Aber Billy saß über seinen Laptop gebeugt auf der Rückbank und folgte Mehran Khans Signal. In der Hand, mit der er sich nicht festhielt, hatte Torkel sein eigenes Handy. Er hatte gerade sein Telefonat mit Britta Hanning von der Säpo beendet. Diesmal schien sie kooperationsbereiter. Er wandte sich Billy zu.
«Sie kennen einen Joseph. Britta wollte nicht verraten, wie er wirklich heißt, aber offenbar ist er ein sogenannter ‹Freund› von ihnen.»
«Freund?», fragte Jennifer irritiert.
«Ein Informant. Jemand, der über Extremisten und andere Gruppen berichtet», erklärte Torkel.
Billy beugte sich vor. Er traute seinen Ohren nicht. «Also jagen wir einen unserer ‹Freunde›?»
«Scheint leider so zu sein.»
Das Auto neigte sich leicht zur Seite, als sie einen polnischen Fernlaster überholten. Torkel klammerte sich fester an seinen Handgriff. Jennifer wirkte vollkommen ungerührt.
«Aber wenn er der Säpo geholfen hat, dann hatte er vielleicht auch andere Auftraggeber, wie den Abschirmdienst zum Beispiel», sagte sie und wechselte die Spur.
Torkel nickte. Unmöglich schien das nicht. Was diesen Fall betraf, schien nichts unmöglich. Dies war die neue Zeit, in der der Kampf gegen Terror und Extremismus die Agenda für jene bestimmte, die das Land verteidigen sollten. Plötzlich hatten sie gegen einen unsichtbaren Feind ohne Uniform zu kämpfen, und die Spielregeln waren andere. Die Geheimnisse größer. Die Methoden gröber. Er dachte an den fünfzehnjährigen Jungen, der auf irgendeine Weise mitten in dieses verzwickte Gefüge geraten war. Ein Junge, der seinen Vater verloren hatte. Dazu führten die Geheimnisse auch – zu Familientragödien. Er wandte sich wieder Billy zu.
«Kannst du noch Signale von seinem Handy empfangen?»
Billy starrte auf seinen Schirm und schüttelte den Kopf.
«Nein, ich habe gerade die Verbindung zum Server verloren. Zuletzt war er direkt vor dem Bahnhof Södertälje hamn. Ich werde Södertälje beauftragen, eine Streife dorthin zu schicken.»
Torkel hörte, wie Billy etwas auf seinem Computer tippte. Ich werde wirklich alt, dachte er. Er erinnerte sich an die guten alten Zeiten, in denen man die Kollegen telefonisch alarmierte und die Menschen mit Hunden suchte. Jetzt saß Billy dort hinten und erledigte alles vom Laptop aus. Solange der Server nicht zusammenbrach.
«Ich glaube, wir können in einer Viertelstunde dort sein», hörte er Jennifer sagen, während sie gleichzeitig noch stärker aufs Gaspedal trat. Er spürte, wie sich sein Magen vor Unbehagen zusammenkrampfte.
«Er ist nicht mehr dort», sagte Billy, auf den Bildschirm konzentriert. «Jetzt befindet er sich auf dem Weg zur E20.»
Torkel richtete sich an Jennifer.
«Gib Gas!»
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W ieder zurück.
Ingenieurkorps 1, kurz Ing 1. Almnäs. Södertälje.
Hier hatte er seinen Wehrdienst abgeleistet. Ihn als notwendiges Übel betrachtet, als er eingezogen worden war, ihn dann jedoch lieben gelernt. Warum, konnte er nicht genau sagen. Es hatte etwas mit den Abläufen zu tun, der Disziplin, der Strenge, der man sich unterwerfen konnte, anstatt sie – wie die meisten seiner Kameraden – nur als Spiel anzusehen. Zunächst hatte ihn der körperliche Drill in der Ausbildung interessiert, aber je länger er dort war, desto mehr faszinierten ihn die Strategien, die Überlegungen, wie man den Feind überlisten und besiegen konnte. Er entdeckte zwei neue Seiten an sich selbst. Eine Neigung zum militärischen Leben und einen Wettbewerbsinstinkt. Natürlich hatten sowohl er als auch sein Bruder in ihrer Jugend
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