Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Hamid einen panischen Befreiungsversuch, und Charles hörte, wie ein Knochen in seinem Handgelenk brach, als er sich nach rechts warf, um dem unbarmherzigen Wasserschwall zu entkommen.
Wo? Wann? Wer noch?
Charles hatte keine Ahnung, wie lange das schon so ging, ehe er schließlich selbst Hand anlegte. Breitbeinig stellte er sich über den Kopf des einen Mannes und kippte den Eimer. Das Wasser rann in einem langsamen, aber stetigen Strom über das Handtuch und sorgte effektiv dafür, dass keine Luft hindurchdrang.
«Wenn du glaubst, dass sie es nicht mehr überleben, machst du noch zwanzig Sekunden weiter, und dann noch zehn.»
Wieder und wieder.
Beide Männer bluteten stark an Fuß- und Handgelenken, und Hamids linke Hand hing in einem unnatürlichen Winkel aus ihrer Fessel. Mittlerweile schrie keiner von ihnen mehr. Sie redeten gar nicht. Flehten nicht. Hatten nicht einmal mehr die Kraft zu flüstern. Sie starrten nur vor sich hin, mit Augen, die bereits tot waren, wenn das Handtuch erneut weggezogen wurde und die Fragen kamen. Ihre Atemzüge wurden immer flacher. Bald war nur noch ein leises Keuchen zu hören.
Wo? Wann? Wer noch?
Wieder und wieder.
Die Amerikaner machten eine Pause. Gingen hinaus und rauchten, sagten nicht viel. Kamen wieder herein und machten weiter.
Said starb als Erster. Er hörte einfach auf zu atmen. «Trockenes Ertrinken», bemerkte der Rothaarige, ehe er versuchte, ihn durch Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben. Vergeblich. Der Schmale setzte sich über den leblosen Mann und gab ihm eine Herzmassage, während der Rothaarige weiterhin Luft in die malträtierten Lungen blies. Erfolglos. Charles merkte, wie ein ungutes Gefühl in ihm aufstieg. Das war übel. Richtig übel. Zwar war keiner der beiden Afghanen schwedischer Staatsbürger, aber der Tote hatte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Die sogenannten «verschärften Verhörmethoden» waren schlimm genug, aber sie ließen sich immerhin dadurch rechtfertigen, dass die freie, demokratische Gesellschaft attackiert wurde. Die Demokratie musste geschützt werden. Die neuen Zeiten erforderten Härte. Aber dies hier? Wie zum Teufel sollten sie da wieder rauskommen?
Die Amerikaner gaben die Reanimationsversuche auf. Sie wandten sich wieder Hamid zu. Charles vermutete, dass sie vorhatten, ihn freizulassen, das Verhör abzubrechen. In den Augen des Mannes war deutlich zu lesen, dass er nichts wusste. Aber die Amerikaner überraschten Charles. Sie rissen Hamid das Handtuch vom Kopf und drehten seinen Kopf nach links, damit er seinen toten Freund sehen konnte. Ein leises Wimmern war alles, was er hervorbrachte, dann warfen sie ihm wieder das Handtuch über und begannen von neuem.
Hamid hielt noch eine halbe Stunde durch.
Anschließend hatten der Rothaarige und der Mann mit der Sonnenbrille das Land verlassen. Hamid und Said würden nie gefunden werden, hatte Charles an Alexander berichtet. Wenn man nur die Ermittlung über diese sogenannten unkontrollierten Ausreise einstellen würde, die die Polizei in Solna eingeleitet hatte, kämen sie irgendwie davon.
Charles hatte gewusst, wer der richtige Mann für diesen Job wäre. Dachte er.
Aber Adam ließ ihn im Stich. Verstand es nicht. Wollte es nicht verstehen. Anstatt sich der Sache einfach anzunehmen und sie zu erledigen, begann er, nachzuforschen. Besuchte die Familien und hörte sich beim Außenministerium nach möglichen Gerüchten um. Alexander konnte natürlich dafür sorgen, dass auch Adams Ermittlungen eingestellt wurden, aber Adam blieb trotzdem ein Problem.
Charles war überrascht. Gewiss hatte Adam schon immer ein starkes Rechtsbewusstsein gehabt, deshalb hatte er auch bei der Polizei angefangen, aber Charles hatte geglaubt, dass er davon absehen würde, wenn es um die innere Sicherheit des Landes ging. Die Bedrohung gegen die freie Gesellschaft dauerte an. Herrgott, immerhin war die Außenministerin in jenem Herbst in einem Kaufhaus ermordet worden!
Sie hatten lange Gespräche geführt. Adam wollte mehr wissen, alles. Charles warf ihm einige Bröckchen hin, aber Adam gab sich nicht zufrieden. Sagte zu Charles, dass er der Sache auf den Grund gehen wollte, und wenn sich seine Vermutung darüber, was wirklich geschehen war, bestätigte, würde er nicht die Augen verschließen. Obwohl sie Brüder waren. Charles hatte ihn gebeten, noch zu warten.
Alles für einen Moment ruhen zu lassen.
Nachzudenken.
Sich eine Woche Zeit zu nehmen.
Er hatte die Gebirgshütte in
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