Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Spülmaschine räumte. Er hatte mit seiner Mitteilung noch gewartet, denn Ellinor hatte am Wochenende freigehabt. Und Sebastian wollte unter keinen Umständen achtundvierzig Stunden mit empörten Diskussionen, Vorwürfen, Tränen und Tobsucht provozieren, die damit enden würden, dass er gezwungen wäre, Ellinor wortwörtlich am Kragen zu packen und vor die Tür zu setzen. Jetzt musste sie zur Arbeit, und sie war ein überaus pflichtbewusster Mensch. Es bestand keine Gefahr, dass sie sich so kurzfristig abmelden und zu Hause bleiben würde. Wenn sie überhaupt begriff, was er da sagte. Das war nicht sicher.
«Du bist mir vielleicht ein Witzbold», erwiderte sie dann auch, ohne ihn überhaupt anzusehen, und bestätigte damit all seine Befürchtungen.
«Nein, ich meine es ernst. Du musst ausziehen, und wenn du es nicht freiwillig tust, werfe ich dich raus.»
Ellinor schloss die Spülmaschine, richtete sich auf und sah ihn mit einem amüsierten Lächeln an.
«Aber, mein kleiner Mann, wie solltest du denn ohne mich überhaupt zurechtkommen?»
«Ausgezeichnet», antwortete Sebastian und versuchte, sich seine beginnende Irritation nicht anhören zu lassen. Er hasste es, wenn sie mit ihm sprach wie mit einem Kind.
«Du bist mir ein Witzbold», stellte sie noch einmal fest, ging zum Tisch und tätschelte ihm die Wange. «Du solltest dich mal wieder rasieren, du kratzt», ergänzte sie lachend, beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. «Bis heute Abend!»
Sie verließ die Küche, und Sebastian hörte, wie sie im Badezimmer verschwand. Die mittlerweile allzu vertrauten Geräusche verrieten ihm, dass sie sich gerade die Zähne putzte. Er seufzte schwer. Sein Versuch endete wie immer. Was hatte er auch geglaubt? Jedes Gespräch mit Ellinor, in dem es nicht um alltägliche Bagatellen ging, drehte sich im Kreis. Sie hörte ihm nie zu und deutete alles zu ihrem Vorteil. Und wenn das nicht möglich war, ignorierte sie es einfach. So wie jetzt.
Du musst ausziehen.
Ein solcher Satz ließ normalerweise keinen Interpretationsspielraum. Er war deutlich. Er war Realität.
Doch in Ellinors Welt war die Realität nichts Exaktes oder Konstantes. Sie glaubte, die Wirklichkeit nach ihren eigenen Vorstellungen formen zu können. Und damit hatte er sie schon viel zu oft durchkommen lassen. Aber das war nun vorbei. Diesmal wäre sie gezwungen, ihm zuzuhören. Er ließ seiner Gereiztheit und Frustration freien Lauf, sprang vom Tisch auf und steuerte auf das Bad zu. Er öffnete die Tür – sie schloss nie ab – und baute sich hinter ihr auf. Ellinor sah ihn im Spiegel an.
«Willst du gar nicht wissen, wo ich Donnerstagnacht war?»
Ellinor putzte weiter ihre Zähne, doch ihre Miene im Spiegel sprach Bände.
Nein, wollte sie nicht.
«Willst du nicht wissen, warum ich nicht nach Hause kam?»
Ellinor spuckte den Schaum ins Waschbecken, stellte die Zahnbürste zurück in den Plastikbecher auf dem Regalbrett und trocknete sich den Mund mit einem gestreiften Frotteehandtuch ab, das sie von der Arbeit mitgebracht hatte.
«Du wirst schon deine Gründe gehabt haben», sagte sie und zwängte sich an Sebastian vorbei in den Flur.
«Ja, der Grund heißt Gunilla, ist siebenundvierzig Jahre alt und Krankenschwester.»
«Ich glaube dir nicht.»
«Warum nicht?»
«Weil du mir so etwas nie antun würdest.»
«Doch.»
Ellinor schüttelte den Kopf und schlüpfte in ihren Mantel.
«Nein, würdest du nicht. Denn damit würdest du mich verletzen, und warum solltest du das wollen?»
Sebastian beobachtete, wie sie sich bückte und mit hektischen, ruckhaften Bewegungen ihre Stiefel anzog. Doch das Leder rutschte ihr zwischen den Fingern hindurch, und sie musste von vorn beginnen. Noch ruckhafter. Als kämpfte sie darum, nicht die Kontrolle zu verlieren. Sebastian merkte, wie sich ein gewisses Mitgefühl bei ihm meldete und seine Irritation verdrängen wollte. Er versuchte, es zu unterdrücken. Jetzt galt es, bestimmt aufzutreten. Dennoch hörte er zu seiner eigenen Enttäuschung, wie seine Stimme einen milderen Ton annahm.
«Nein, will ich nicht. Ich möchte nur, dass du verstehst, dass du nicht länger hier wohnen kannst.»
«Warum denn nicht?»
«Das Ganze war ein Irrtum. Du hättest nie einziehen dürfen. Es war mein Fehler, ich habe mich damals irgendwie schuldig gefühlt. Und eine Weile habe ich auch geglaubt, die Sache zwischen uns wäre etwas, was ich selbst wollte, aber so ist es eben nicht.»
Zum ersten Mal, seit sie
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