Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
waren sie unterschiedliche Wege gegangen. Wie er wusste, arbeitete sie jetzt bei der Reichsmordkommission, aber sie waren sich schon seit einigen Jahren nicht mehr begegnet. Hieß ihr Vater nicht Valdemar? Doch, daran meinte Peter sich zu erinnern. So viele Lithners konnte es wohl nicht geben? War dies eine Anzeige gegen Vanjas Vater? Ein Grund mehr, die Sache so schnell wie möglich abzuschließen.
Peter holte alle Papiere und Mappen aus der Tüte und breitete sie vor sich auf dem Tisch aus. Er schlug die oberste Mappe auf und stutzte.
Die Kopie einer Ermittlungsakte der Polizei.
Genauer gesagt des Dezernats zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität.
Peter schloss die Mappe wieder und wandte sich dem Computer zu. Er tippte den Namen ein, und das Resultat erschien sofort auf dem Bildschirm. Es gab eine Voruntersuchung aus dem Jahr 2008. Der Staatsanwalt hatte damals entschieden, das Verfahren einzustellen. Aus Mangel an Beweisen. Peter widmete sich wieder dem Material, das er bekommen hatte. Neben der Polizeiakte gab es weitere Informationen. Neue Beweise.
Er legte die oberste Mappe zur Seite, nahm sich den Rest vor, lehnte sich zurück und begann zu lesen.
Schon nach wenigen Minuten stieß er auf den Namen Daktea Invest, der in seinem Dezernat so bekannt war, dass er sofort zu seiner Chefin ging.
Ingrid Ericsson erinnerte sich an Valdemar Lithner.
Sogar sehr gut. Nicht gerade der größte Wirtschaftskriminelle, der ihnen je durch die Lappen gegangen war, aber auch kein ganz kleiner Fisch. Bei dem Fall handelte es sich um eine Reihe Firmen, die kurz vor dem Konkurs abgeschöpft worden waren und deren Kapital nach Panama wanderte. Es gab einen Strohmann, der die Hauptverantwortung in Schweden trug, und ein Konto in Lateinamerika, dessen Inhaber sich nicht ermitteln ließ und dessen Guthaben spurlos verschwunden war. Mehrere Millionen. Das Sommerhaus, die Wohnung für die Tochter, ein neues Auto: Lithner hatte sich nicht gescheut, das Geld auszugeben. Anscheinend war er überzeugt gewesen, dass man ihm nichts würde nachweisen können. Und damit hatte er auch recht behalten. Ingrid hatte es versucht. Sich nach allen Kräften bemüht. Als Abteilungsleiterin war sie damals für jene Voruntersuchung zuständig gewesen, deren Akte Peter Gornack ihr kürzlich zusammen mit weiterem Material gebracht hatte, das nun ebenfalls vor ihr lag. Peter sagte, er habe sie von einer Frau erhalten, die alles in einer Tüte hergebracht habe. Der interessanteste Teil davon hatte mit dem verzwickten Daktea-Fall zu tun.
Wenn Lithner darin verwickelt war, dann gehörte er doch zu den größten Wirtschaftskriminellen, die ihnen je durch die Lappen gegangen waren. Bis auf weiteres. Wenn das, was Ingrid jetzt in der Hand hatte, tatsächlich einer Überprüfung standhielt, würden sie Lithner diesmal drankriegen.
Daktea Invest war ein riesiger Pyramiden-Betrug gewesen, ein dem Anschein nach sicheres Investitionsobjekt, in Wahrheit jedoch ein Schneeballsystem, dessen Verantwortliche spurlos verschwanden, als die Blase platzte. Tausende von Kleinanlegern und Investoren verloren alles. Die Polizei hatte große Ressourcen freigesetzt, um die Urheber ausfindig zu machen, diese hatten ihre Identität allerdings sehr geschickt verschleiert – durch ein Netz von gegenseitigen Beteiligungen an anonymen Stiftungen und Holding-Firmen in Steuerparadiesen wie den Kaimaninseln und Panama. Ingrid war überzeugt, dass Lithner keine Schlüsselfigur und dieser Coup eigentlich eine Nummer zu groß für ihn war. Aber er hatte an dem Konstrukt mitgewirkt und war für einen Teil des Geldes verantwortlich gewesen – das ging aus dem neuen Material deutlich hervor. Und diese Information genügte ihr.
Es war übertrieben zu behaupten, es hätte sie persönlich getroffen, dass das Verfahren damals eingestellt worden war. Aber der Gedanke, jemanden festzunehmen, von dessen Schuld sie so sehr überzeugt war, erfüllte sie doch mit einer gewissen Genugtuung. Deshalb handelte sie zügig. Normalerweise leitete ihre Abteilung ein Verfahren innerhalb von fünfzig Tagen ein, wenn sie auf einen Missstand aufmerksam gemacht wurde. Diesmal würde es nicht einmal fünf Stunden dauern, dafür würde Ingrid sorgen.
Sie rief bei der Staatsanwaltschaft an und sprach mit Stig Wennberg, der beim letzten Mal für den Fall zuständig gewesen war. Sie erklärte ihm, warum sie die Voruntersuchung abermals eröffnen wollte, faxte ihm die neuen Informationen und bekam bereits
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