Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Fernseher lief, aber sie nahmen ihn nicht mehr wahr.
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E s gab nur wenige Dinge, die Harald Olofsson in Stress versetzten. Das meiste, womit er konfrontiert wurde, behandelte er mit einer Ruhe und Systematik, die vielen Menschen imponiert hätte. Harald selbst dachte nie darüber nach. Es war nicht so, dass er nicht aus der Ruhe zu bringen war, auch er musste sich mitunter anstrengen, um die Fassung zu bewahren. Aber er war ganz einfach eine methodisch vorgehende, besonnene und ruhige Person. Deshalb war es für ihn ein ebenso unbekanntes wie unwillkommenes Gefühl, dass sein Puls schneller wurde und sein Atem schwerer ging.
Er konnte die Rucksäcke nicht finden.
Dabei war sein System der Aufbewahrung doch genauestens durchdacht. Auch wenn der Hof aussah wie ein Schrottplatz, auf dem eine Bombe eingeschlagen hatte, wusste Harald immer genau, wo etwas lag und wo es herkam. In seiner Branche war eine solche Ordnung unerlässlich. Wenn etwas offen herumlag, ließ sich seine Herkunft nicht mehr zurückverfolgen. Im Schuppen war es genauso. Obwohl er bis oben hin vollgestopft war und es schien, als wäre alles zufällig und ohne Hintergedanken hineingeworfen worden, steckte auch hier ein Plan dahinter. Was sichtbar und erreichbar war, war genauso unverdächtig wie das, was auf dem Grundstück stand. Je tiefer man vordrang und je unzugänglicher die Sachen lagen, desto heißer war die Ware. Und was auf keinen Fall in seinem Besitz entdeckt werden durfte, lag in der Kammer. Anfangs hatten auch die beiden Rucksäcke aus dem Unfallwagen dort gelegen, aber dann waren sie hin- und hergewandert. Zuletzt hatten sie nicht einmal mehr in die Kategorie der Gegenstände gehört, die es zu verstecken galt, weshalb er eigentlich kein Problem damit haben sollte, sie zu finden.
Doch das hatte er.
Ein großes Problem.
Er hatte unendlich viel Zeit im Schuppen verbracht, war alles mehrmals durchgegangen. Inzwischen war er sicher, dass die Rucksäcke nicht dort sein konnten. Aber wo waren sie dann? Hatte er sie etwa schon entsorgt? Soweit er sich erinnerte, enthielten sie nichts Wertvolles, aber er konnte sich auch nicht erinnern, dass er sie weggeworfen oder verbrannt hätte. Wo also lagen sie? Vielleicht war es auch egal, denn wenn er sie nicht finden konnte, würde es die Polizei bei einem eventuellen Besuch sicherlich auch nicht tun. Und wer sagte eigentlich, dass sie überhaupt wiederkommen würden? Er hatte ihre Fragen beantwortet, und sie hatten zufrieden gewirkt, als sie wieder weggefahren waren.
Er verließ den Schuppen, ging auf den Hof und blinzelte in die untergehende Sonne. Zeppo erhob sich von seinem Platz, als sein Herrchen sich zeigte, und kam so weit auf ihn zu, wie sein Strick es zuließ. Harald ging die letzten Schritte zu dem Hund und tätschelte ihn, während er ihn losmachte. Sie waren schon seit heute Vormittag nicht mehr Gassi gegangen. Es wurde Zeit. Eine Runde durch den Wald wäre jetzt für beide gut. Harald ging ins Haus, holte die Leine und pfiff dann Zeppo herbei.
Schon nach wenigen Schritten spürte Harald, wie ihm die Ruhe ringsumher guttat. Die Stille. Abgesehen von den Geräuschen des Waldes war kein Laut zu hören. Er atmete mehrmals tief durch, und die leichte Anspannung, die er noch immer spürte, fiel schnell von ihm ab. Er hatte sich unnötig aufgeregt. Jetzt würde er alles über den alten Unfall und die unglückseligen Rucksäcke vergessen. Er lockerte die Schultern, als wollte er die Erinnerung wortwörtlich von sich abschütteln, stieß die Luft mit einem zufriedenen Seufzer wieder aus und erwartete beinahe, eine weiße Atemwolke vor sich zu sehen. Derzeit waren die Abende ziemlich kühl. Und auch die Sonne wärmte tagsüber nicht mehr so intensiv. Der Regen am vergangenen Wochenende war vielleicht der letzte in diesem Jahr gewesen, nächstes Mal fiel der Niederschlag womöglich schon als Schnee auf die Erde.
Sie setzten ihren Weg durch den dichten Nadelwald fort. Zeppo blieb stehen, schnupperte, folgte einer Spur und kehrte wieder zurück. Immer wieder verschwand der Hund für eine längere Zeit, in der Harald ihn weder sah noch hörte. Sie gingen zusammen, aber jeder für sich, und waren beide damit zufrieden. Nach einer Weile fiel Harald auf, dass es allmählich dämmerte. Es war Zeit, zurückzugehen.
«Zeppo.»
Der Hund kam nicht. Harald rief noch einmal, aber Zeppo zeigte sich nicht. Harald blieb stehen und lauschte, doch nur das leise Rauschen der Bäume war
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