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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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der Hals nach rechts abgeknickt war. Die Schlinge hatte die Haut durchtrennt und war so weit ins Fleisch eingedrungen, dass es unmöglich erschien, dass der Kopf überhaupt noch am Körper hielt.
    Zu Füßen des Leichnams lag ein Stuhl, umgestürzt, der genauso aussah wie der in der Küche. Er musste ihn weggetreten haben, nachdem er den Kopf in die Schlinge gelegt hatte. Erst als er in der Luft hing, war ihm wohl klar geworden, was ihn erwartete. Der Todeskampf muss unendliche Minuten gedauert haben. Jede Sekunde davon stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Mit der rechten Hand hatte der Bauer etwas fest umklammert. Ein Blatt Papier, auf dem man ein paar verschmierte Buchstaben in blauer Tinte erahnen konnte. Während er unter Krämpfen erstickt war, hatten sich die Finger zu einem Schraubstock verspannt, den die Totenstarre verewigt hatte.
    Manzini hatte sich zu dem Papier vorgebeugt, aber Roberto hatte ihn aufgehalten, obwohl auch er nichts dringender wollte, als zu sehen, was darauf stand. Sie durften es sich nicht erlauben, schon wieder einen Tatort zu verunreinigen. Es gab einen festen Ablauf, die Regeln gingen vor.
    Über das Funkgerät des Campagnola hatte er den alten Doktor Cherubini angerufen, der sich heftig zur Wehr gesetzt hatte, seine Praxis zu verlassen. Dann die Kriminaltechnik in Bologna. Robertos Tonfall hatte Sernagiotto jedwede Anwandlung von Sarkasmus ausgetrieben, er versicherte, sofort mit vielen Leuten aufzubrechen.
    Während sie warteten, hatten sie das Zimmer untersucht, in dem Berto Guerzoni seine einsamen Nächte verbracht hatte. Auf dem Ehebett eine fadenscheinige braune Überdecke, die nur auf einer Seite zurückgeschlagen war. Unter einem vergilbten Kissen lugte ein Stückchen schwarzer Stoff hervor.
    Das Interessanteste lag allerdings unter dem Bett. Ein altes Gewehr, auf dessen Kolben aus dunklem Holz eine Prägung mit den Buchstaben S . A . zu lesen war. Daneben drei Hülsen aus Metall.
    Sernagiotto und die Kriminaltechnik waren am Ende sogar noch vor dem Arzt eingetroffen, trotz der schlechten Straßen, des Eises und des Nebels. Nachdem sie Fotos gemacht und die nötigen Messungen vorgenommen hatten, hatten sie, nicht ohne Mühe, den Körper des Bauern abgenommen und auf eine Plane gelegt. Um die Schlinge zu entfernen, hatten sie den Draht durchschneiden müssen.
    Während sie das heikle Unterfangen durchführten, war endlich auch Doktor Cherubini eingetroffen, bis zur Nasenspitze eingehüllt in einen blauen Wintermantel. Er hatte den Leichnam angesehen, war kreidebleich geworden und hatte sich abgewendet, um sich zu übergeben. Sernagiotto hatte einen Wutanfall erlitten.
    Unter dem aufmerksamen Auge einer Videokamera war es schließlich zwei Männern gelungen, Guerzonis rechte Hand aufzuzwingen, wobei sie ein Instrument gebrauchten, das an einen kleinen Wagenheber erinnerte.
    Sernagiotto hatte mit seinen langen Fingern, die in Latexhandschuhen steckten, langsam den Zettel angehoben. Alle hatten die Arbeit unterbrochen und den Atem angehalten. Der Vizequestore hatte die Atemschutzmaske, die seinen Mund bedeckte, heruntergenommen und den Augenblick sichtlich genossen.
    »Es ist ein Geständnis«, hatte er verkündet. Dann hatte er mit lauter Stimme vorgelesen, was auf dem Zettel stand. Einen Moment lang hatte sich ein Mantel des Schweigens auf das Haus voller Menschen gesenkt, das jetzt das Haus des Mörders war. Manzinis Stimme hatte die Stille durchbrochen: »Es ist vorbei!«
    Bei diesen Worten waren alle in lautstarken Jubel ausgebrochen, dem nur Doktor Cherubini – der immer noch mit Magenkrämpfen zu kämpfen hatte – und Roberto sich nicht angeschlossen hatten. Es gelingt ihm nicht, sich zu freuen, nicht einmal jetzt, nach einigen Stunden, in der Einsamkeit seines Zimmers. Vor seinen Augen erscheint die unsichere, nach rechts geneigte Handschrift:

    In Robertos Kopf verschlingen sich Fragen ineinander. Berto Guerzoni konnte kaum mehr als drei Worte hintereinander rausbringen, und das bestenfalls im Dialekt. Ist es möglich, dass er eine solche Botschaft verfassen konnte? Wenn er sein Gewissen erleichtern wollte, warum hat er dann nicht einfach geschrieben: »Ich habe sie ermordet«?
    Leider stellen sich die Antworten nicht mit gleicher Leichtigkeit ein.
    Das Bett kommt ihm vor wie ein Nagelbrett. Er steht auf und greift sich das Blatt Papier, auf dem er das Perimeter des Falles aufgezeichnet hat. Mit dem Stift schreibt er BERTO GUERZONI hinzu, in den Kreis des Täters. Er

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