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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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bei sich, der ein paar Bilder von mir machte, während ich dasaß und mit dem Reporter redete. Die Bilder vom Tatort wecken Erinnerungen bei mir, die ich zu verdrängen versucht habe. Die Mädchen sitzen in allzu raffinierter Pose da, und ich glaube nicht, daß er sie so arrangiert hat, als sie tot waren, ich glaube, daß sie für ihn posiert haben, daß er Bilder von ihnen gemacht hat. Und die Bilder erinnern mich an eine Reportage, die ich in den siebziger Jahren gesehen habe, Bilder in einer Modezeitschrift, die ich schon damals unangenehm fand, ich erinnere mich nicht, wo ich sie gesehen habe und wer der Fotograf war, aber das Modell war ein Mädchen, das ich kannte. Ich glaube, daß der Mörder, den wir suchen, Fotograf ist.
    Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Agnes stand auf, hob ab und meldete sich und wandte sich mit dem Hörer in der Hand an Martine.
    – Aus Paris, sagte sie leise, er sagt, es geht um deine Morduntersuchung und daß es wichtig ist.
    Martine stand auf und nahm den Hörer. Sie erkannte die dünne und raucherheisere Altmännerstimme sofort wieder.
    – Guten Tag, Madame Poirot, sagte die Stimme im Telefon, hier noch einmal Pierre Montanard, Professor Montanard aus Paris. Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber ich hatte Schwierigkeiten, meine alten Papiere zufinden, und mußte ein paar Personen um Rat fragen. Aber der Fall, von dem ich erzählen wollte, das war eine meiner allerersten Obduktionen, und es war ein Mord, der schon 1948 geschah, in Philippeville in Algerien.

    Sophie hatte in der Küche ein Stockwerk tiefer Wasser gewärmt und Kaffee mit Pulver aus einer Dose gemacht, die sie ganz hinten in der im übrigen leeren Speisekammer der Wohnung gefunden hatte. Sie saß neben Jacques Martin auf dem Sofa und sah die Bilder an, die ausgebreitet auf dem Couchtisch lagen. Tatia saß auf dem Deckel ihres Koffers und nippte an dem Kaffee, der bitter und verbrannt schmeckte. Sophie mußte zu viel Pulver in die Becher getan haben.
    – Die Zitadelle ist gut, sagte Jacques Martin, das Licht ist jetzt gut da oben, und es kann ein spannendes Pendant zu den Bildern von den Filmaufnahmen werden. Und diese Bluse ist perfekt, sie verleiht deiner Haut eine Art rosigen Schimmer. Gehört sie zu Mademoiselle Poirots Funden?
    – Ja, sagte Tatia schüchtern, sie stammt aus meinem Koffer hier, den ich in einem Antiquitätenladen gefunden habe.
    Sie wurde wütend auf sich selbst, weil sie schüchtern klang, statt sophisticated und selbstsicher, wie sie eigentlich sein wollte. Sie wußte, wer Jacques Martin war, er war ein bekannter Fotograf, und er hatte sogar hin und wieder Modereportagen gemacht. Sie hatte seinen Namen in ihrer Sammlung alter Modezeitschriften aus den siebziger und achtziger Jahren gesehen. Mit seinen grauen Haaren mußte er ziemlich alt sein, dachte sie, sicher sogar älter als Sophie, aber er sah in seinen Jeans und seinem Jeanshemd schlank und jugendlich aus. Einen Job zusammen mit ihm zumachen, wäre eine prima Sache, auch wenn Tatia in der Tiefe ihres Herzens wußte, daß Sophie es sehr wohl schaffte, sich zu schminken, und sie vor allem mitgenommen hatte, weil sie etwas für sie tun wollte.
    Aber immerhin hatte Jacques Martin die Bluse, die sie ausgewählt hatte, gelobt.
    Plötzlich hatte Tatia die Idee, daß es vielleicht Jacques Martin war, den Giovanni hatte treffen wollen, als sie sich auf dem Platz getrennt hatten. Sie schob den Gedanken von sich. Es gab keinen Grund, das zu glauben, überhaupt keinen.
    Jacques Martin sah Tatia und den Koffer mit schmeichelhaftem Interesse an. Sein Blick war intensiv, beinah zu intensiv, fand Tatia, und die dunklen Haare auf seinen Unterarmen unterhalb der hochgekrempelten Ärmel des Jeanshemds schienen sich aufzurichten, als wäre es kalt im Zimmer, obwohl es das überhaupt nicht war.
    – Der sieht aus wie ein alter Louis-Vuitton-Koffer, sagte er nonchalant, der ist sicher eine Menge wert, allein schon der Koffer. Ich erinnere mich an die Koffer aus meiner Kindheit. Manchmal war ein Geheimfach drin, in dem man während der Reise Schmuck und Wertsachen verwahren konnte. Habt ihr auch so etwas entdeckt?
    – Nein, sagte Tatia, aber ich habe auch nicht nach geheimen Fächern gesucht.
    – Das können wir später machen, sagte Sophie munter, du sitzt da vielleicht auf einem Vermögen an altem Schmuck, das wäre doch nett. Aber wenn ihr mit meinem wunderbaren Kaffee fertig seid, machen wir uns vielleicht besser auf den

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