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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Weg.
    Jacques Martins in Frankreich zugelassener schwarzer Mercedes stand im Parkverbot halb auf dem schmalenTrottoir vor der Tür. Tatia glitt auf den Rücksitz und stellte die Schminktasche neben sich, während Sophie auf den Vordersitz sank und in einer geschmeidigen Bewegung ihre langen Beine hereinzog. Genau wie ein Filmstar, dachte Tatia, sie weiß, wie man in ein Auto steigt, wenn man fotografiert wird.
    Jacques Martin stellte seine Ausrüstung in den Kofferraum.
    – Verflixt, rief er aus, ich habe meine kleine Tasche mit Extra-Filmen vergessen. Gib mir den Schlüssel, Sophie, dann können die Damen im Auto sitzen bleiben, während ich raufrenne und sie hole.
    Sophie fischte ein Schlüsselbund aus ihrer Handtasche und reichte es durch das Autofenster hinaus. Jacques Martin nahm es und verschwand durch die Tür ins Haus.
    Sophie klappte die Sonnenblende herunter und betrachtete sich nachdenklich in dem kleinen Spiegel.
    – Gut geschminkt, sagte sie, es ist dir wirklich gelungen, Tatia, das werden gute Bilder. Was hältst du von Jacques?
    Tatia zögerte.
    – Er wirkt … intensiv, sagte sie unsicher.
    – Ja, heute jedenfalls, sagte Sophie. Er ist nicht immer so, aber ich erinnere mich, daß er in Namur genauso war. Das liegt wohl daran, daß er auf seine Arbeit fokussiert ist.
    Jacques Martin kam aus der Tür. Über der Schulter trug er eine kleine Canvastasche, die offensichtlich zu voll war, um ordentlich geschlossen werden zu können. Er hatte schmale Augen und strich sich mit der Hand über die grauen Haare, die um seinen Kopf standen wie eine Löwenmähne. Er wirkte irgendwie angeregt, als er mit geschmeidigen gleitenden Schritten zum Auto ging, wie eine Katze, dachte Tatia.
    Er ließ sich hinter dem Lenkrad nieder und drehte den Zündschlüssel um.
    – Zur Zitadelle, sagte er, als der Motor zu laufen begann.

    Ein dunkelblauer BMW bremste vor dem Nato-Hauptquartier, gerade als Philippe durch das Gittertor hinaustrat. Bernadette hatte weniger als zehn Minuten gebraucht, um von zu Hause in Vilvoorde hierherzukommen. Sie mußte gefahren sein wie eine Irre.
    – Spring rein, sagte sie kurz und öffnete die Beifahrertür. Philippe glitt auf den ochsenblutroten Ledersitz und legte den Sicherheitsgurt an, während Bernadette auf den Boulevard einbog und aufs Gaspedal trat. Er spürte die Kraft des Motors, als das Auto rasch beschleunigte und auf die Überholspur wechselte.
    Er schielte zu der Frau, die neben ihm saß. Nicht einmal das Risiko, daß der unerträgliche Bert ans Telefon kam, hatte ihn zögern lassen, Bernadette anzurufen, aber es war ein komisches Gefühl, hier mit der Person zu sitzen, mit der er elf Jahre lang verheiratet gewesen war. Sie hatten sich nach der Scheidung nicht ein einziges Mal unter vier Augen getroffen. In ihrem gepflegten dunkelblauen Hosenanzug sah sie heute aus wie die flämische Matrone, die sie war, sicher zehn Kilo schwerer als bei ihrer letzten Begegnung. Aber sie war immer noch eine attraktive Frau, mit rotblonden Haaren und meerblauen Augen. Sie waren zusammen ein schönes Paar gewesen.
    – Erzähl jetzt, sagte Bernadette verbissen, du hast gesagt, Tatia schwebt in Lebensgefahr. Ich fahre derweil nach Villette.
    Ihre Stimme klang angespannt, und sie umfaßte das Lenkrad so hart, daß ihre Knöchel weiß wurden. Philippesah, wie sich seine eigene Angst in Bernadettes spiegelte, und er spürte zum ersten Mal, daß ein Band zwischen ihnen war, das niemand abschneiden konnte. Sie waren vor langer Zeit Freunde gewesen, bis zwei ungeschickte und mißlungene Beischlafversuche zur Schwangerschaft und unvermeidlichen Heirat geführt hatten, und obwohl Philippe das Gefühl gehabt hatte, daß die Ehe wie eine Falle zugeschlagen war, hatte ihn eine schwellende Woge von Liebe erfüllt, als er die neugeborene Tochter zum ersten Mal in seinen Armen gehalten hatte.
    Und er erzählte. Er erzählte von dem Mord an Eric Janssens, von seinen Versuchen, die Wahrheit über seine Mutter herauszufinden, was mit ihr geschehen war und wer sie verraten hatte, von Tatias Koffer mit Kleidern, der von Eric Janssens’ Dachboden kommen und das Notizbuch enthalten mußte, auf das der Mörder aus war.
    – Und hier, sagte er, und zog das abgegriffene Kartonrechteck aus der Sakkotasche, schau dir diese Visitenkarte an, die ich von dem Fotografen bekommen habe, den Sofie Lind kennt. »Jacques R. Martin. Rue de l’Université Nr. 4, Paris«, er ist Roger de Wachter, das ist so klar wie nur etwas, wenn

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