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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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kriege doppelt soviel Platz wie für die ganze Korfu-Konferenz.
    Seine Kollegen brachten Sympathie zum Ausdruck. Offenbar hatten sie alle Probleme mit Idioten in der Heimatredaktion, die nicht begriffen, welche europäischen Nachrichten wirklich wichtig waren.
    – Aber ich habe eine gute Schlagzeile, sagte der Engländer, was sagt ihr dazu: »Villette Launches its Bid for Murder Capital of Europe«?
    Sie lachten alle.
    – Ja, das ist ja nicht das erste Mal, sagte ein weißhaariger Mann, der wie ein Italiener aussah und klang, und das zweite auch nicht, wenn ich mich recht erinnere. Habt ihr gehört, daß diese Dame Poirot heute nachmittag eine Pressekonferenz abhalten wird? Wir müssen wohl die kommunale Pressekonferenz sausen lassen, wenn sie kollidieren sollte.
    – Die Blondine, sagte der Engländer nachdenklich, die ist ja eine gute Story nach dieser letzten Affäre. Glaubt ihr, man könnte ein Interview kriegen?
    – Wir könnten einen gemeinsamen Vorstoß machen, schlug der dritte Journalist vor, drei führende europäische Zeitungen, das wiegt schwer.
    Philippe nahm Sophie beim Arm und zog sie mit sich, außerhalb der Hörweite der Journalistengruppe.
    – Ich traue kaum meinen Augen, sagte er amüsiert, die Hälfte dieser Mannschaft war schon dabei, als ich in der Kommission gearbeitet habe, und mit ein paar von ihnen hatte ich viel Kontakt. Dieser Italiener da, Francesco Marinelli, der hat, seit die Römischen Verträge unterschrieben worden sind, jeden Tag auf demselben Platz im Presseraum gesessen, und im selben Sakko. Und der dicke Däne mit dem Bart da hinten und der Engländer mit dem zweireihigen Anzug und Schuppen auf den Schultern …
    – Das ist doch gut für dich, daß du sie kennst, sagte Sophie. Für dein und Tonys Projekt, meine ich?
    – Da hast du recht, schöne Sophie, sagte Philippe langsam, daß ich daran nicht gedacht habe.
    Er nahm die Sonnenbrille ab und sah sich um. Der Engländer in dem zweireihigen Anzug sah ihn und nahm Kurs auf sie.
    – Hallo, sagte er in schleppendem Oxfordenglisch zu Philippe, lange her. Hast du die Abteilung gewechselt?
    – Nein, antwortete Philippe nonchalant auf englisch, tatsächlich habe ich vor einer Weile bei der Kommission aufgehört. Sophie, darf ich Nigel Richards vorstellen, einer von Brüssels führenden Europajournalisten. Nigel, Sophie Lind.
    Nigel Richards sah Sophie mit deutlicher Wertschätzung, aber ohne Zeichen des Wiedererkennens an. Sie nahm an, daß er nicht sehr oft über Kultur schrieb.
    – Angenehm, sagte er zerstreut, soso, du hast die Kommission verlassen, und was machst du jetzt?
    – Ich arbeite in der Hotelbranche, sagte Philippe feierlich und technisch gesehen wahrheitsgemäß – er stand in der Bar in einem Hotel am Boulevard Anspach in Brüssel.
    – Aber, fuhr er fort, ich habe was anderes am Laufen. Ich fange an, mit Osteuropa und der Erweiterung zu arbeiten. Ich rechne damit, daß das in den nächsten zehn Jahren genausogroß wird wie der Binnenmarkt in den achtziger Jahren.
    Nigel Richards strich sich über den schmalen Schnurrbart und nickte orakelhaft. Kleine Anhäufungen von Schuppen landeten auf seinen Schultern.
    – Unbedingt, sagte er, die Deutschen sind anscheinend darauf eingestellt, die Sache energisch zu betreiben.
    – Wir könnten uns vielleicht irgendwann treffen und mehr darüber reden, schlug Philippe vor.
    – Gern, sagte der Engländer, ich habe dieselbe Nummer wie früher. Hast du eine Visitenkarte?
    – Leider, sagte Philippe, habe ich keine bei mir, aber ich kann meine Nummer aufschreiben, wenn du einen Zettel hast.
    Richards nahm eine Visitenkarte und einen Stift aus der Tasche, und Philippe schrieb ein paar Zeilen. Nigel Richards las, was er geschrieben hatte, und stutzte.
    – Stimmt ja, du heißt Poirot. Du bist nicht zufällig mit der Untersuchungsrichterin verwandt? Die, die gerade mit dem Dreifachmord zu tun hat?
    – Meine kleine Schwester, sagte Philippe.
    Der Engländer sah ihn mit gesteigertem Interesse an.
    – Du könntest mir vielleicht helfen, ein Interview zu bekommen? Die Heimatredaktion hatte so eine Idee, daß ich ein Porträt von ihr für die Wochenendbeilage machen soll …
    – Fraglich, sagte Philippe, ich glaube nicht, daß Untersuchungsrichter Interviews geben dürfen. Aber ich kann vielleicht ein Zusamentreffen arrangieren, und wenn das nicht geht, kann ich dir jederzeit ein bißchen Hintergrund liefern, falls es dich interessiert.
    Nigel Richards versicherte, er sei sehr

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