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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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was du tust, und plötzlich entdeckt hast, daß du den Mädchen weh getan hast? Du hattest vielleicht nicht vor, sie zu töten?
    Er schien vor Schreck wie gelähmt.
    – Nein, sagte er, ich meine, nein, ich habe nichts getan!
    Martine ließ die Stille zwischen ihnen anhalten. Aber Jean-Pierre sagte nichts mehr.
    – Du hast gesagt, die Mädchen hätten »gequatscht«, sagte sie nach einer Weile, was haben sie denn, ganz genau, gesagt?
    Jean-Pierre runzelte die Stirn und dachte nach.
    – Ich erinnere mich nicht so genau, sagte er, es war einfach so, daß Sabrina da raus wollte, und die beiden anderenwollten den ganzen Weg mitfahren, aber sie wollte nicht allein sein und wollte, daß sie zusammen mit ihr aussteigen.
    Das war eine seltsame Geschichte, aber wenn sie nun wahr war? Sie durfte die Möglichkeit nicht ausschließen, dachte Martine.
    – Aber was hat Sabrina gesagt, fragte sie, sie muß doch etwas gesagt haben, warum sie aussteigen wollte?
    – Nein, sagte Jean-Pierre langsam, aber sie wirkte irgendwie durchtrieben, als hätte sie was am Laufen.
    – Als hätte sie was am Laufen, mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstraße?
    – Ja, sagte er bockig, genau. Sie hat dem anderen Mädchen, Peggy, zugeblinzelt und Grimassen geschnitten, als ob sie ihr was erklären wollte.
    – Und schließlich waren sie sich also einig und stiegen aus? fragte Martine.
    Er wand sich.
    – Nein … aber, wie gesagt, ich wurde sauer über ihr Gequatsche, und dann hab ich irgendwann die Tür aufgemacht und gesagt, genausogut könnten sie alle drei aussteigen.
    – Darüber möchte ich etwas mehr hören, sagte Martine, erzähl, wie das abgelaufen ist! Was hast du gesagt? Welche Tür hast du aufgemacht, die auf der Beifahrerseite oder auf der Fahrerseite? Bist du selbst ausgestiegen oder im Auto sitzen geblieben?
    Das hier war der kritische Punkt in Jean-Pierres Erzählung. Wenn er log, mußte er jetzt Details erfinden. Sie beobachtete ihn gespannt.
    – Ich bin rausgesprungen, sagte er, und habe die Tür auf der Beifahrerseite von außen aufgemacht. Um sie von innen aufzumachen, wäre ich quasi gezwungen gewesen,mich den Mädels auf den Schoß zu legen. Und wenn ich sauer bin, muß ich mich bewegen. Also bin ich ums Auto rumgerast und hab irgendwie die Tür aufgerissen und geschrien, daß sie aussteigen sollen.
    – Erinnerst du dich, wie du das gesagt hast, mit welchen Worten?
    Er antwortete, ohne nachzudenken:
    – Jetzt hab ich euer Gequatsche verdammt noch mal satt, ihr könnt jetzt aussteigen und nach Hause kommen, wie ihr wollt! So habe ich das, glaube ich, gesagt.
    – Und was haben da die Mädchen gesagt? fragte Martine.
    Er wand sich erneut.
    – Nichts, glaube ich, die sind blitzschnell rausgesprungen, ich glaube, die haben Angst gekriegt.
    – Und dann, hattest du den Motor abgestellt, während die Mädchen diskutiert haben?
    – Nein, sagte er, der lief die ganze Zeit im Leerlauf, ich bin einfach ins Auto und losgefahren, so schnell ich konnte, und die Mädels standen am Straßenrand.
    – Du meinst also, sie sind aus deinem Auto gestiegen und dann ihrem Mörder begegnet, sagte Martine.
    Seine Augen verfinsterten sich, und sein Blick wurde in sich gekehrt, als würden in seinem Inneren quälende Bilder ablaufen. Plötzlich vergrub er das Gesicht in den Händen.
    – Oh Gott, sagte er mit halberstickter Stimme, ja, so war es natürlich. Nadia wollte, daß ich sie nach Hause fahre, aber ich habe sie gezwungen auszusteigen und sie ihren Mördern direkt in die Arme geschickt! Sie wollte Hilfe, aber ich habe sie zu ihren Mördern geschickt. Genau wie in Ruanda. Genau wie in Ruanda.
    Er wirkte ehrlich erschüttert. Martine entschied sich, dasVerhör abzubrechen. Sie hatte genug gehört, um mit gutem Gewissen einen Haftbefehl auszustellen, so daß Jean-Pierre fünf Tage in Gewahrsam sitzen konnte, bis die Haft vom Gericht geprüft werden mußte. Sie würden in diesen Tagen viele Male auf seine Geschichte zurückkommen, ihn wieder und wieder bitten, sie zu wiederholen, wegen Details Druck ausüben.
    – Was glaubst du? sagte sie zu Agnes, als Jean-Pierre abgeführt worden war. Agnes runzelte die Brauen.
    – Das meiste spricht ja gegen ihn, sagte sie nachdenklich, er gibt zu, daß es eine Art Flirt zwischen ihm und Sabrina gab, die Mädchen sind in seinem Auto gefahren, er war in einer labilen Verfassung, er wurde sauer auf die Mädchen, und er sagt praktisch selbst, daß er seiner Wut physisch Luft machen muß. Aber wenn

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