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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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er schuldig ist, ist es intelligent von ihm, sofort zuzugeben, daß er die Mädchen im Auto mitgenommen hat. Damit es für eine Anklage reicht, glaube ich, wird der Staatsanwalt etwas wollen, das Jean-Pierre mit dem Tatort in Verbindung bringt.
    Jean-Pierres Ausbruch hatte Eindruck auf Martine gemacht. Daß er von Schuldgefühlen ergriffen worden war, war offensichtlich, aber lag das daran, daß er plötzlich erkannt hatte, daß er die vierzehnjährige Nadia zum Tod verurteilt hatte, als er ihr gesagt hatte, sie solle aus dem Auto steigen, oder daran, daß er tatsächlich die Mädchen im Affekt getötet hatte und jetzt von seiner Schuld bedrückt wurde? Was er auch war, ein verhärteter psychopathischer Mörder war Jean-Pierre Wastia nicht.
    Noch wußten sie allerdings nicht, wie die Mädchen gestorben waren. Martine bat Agnes, Alice Verhoeven ans Telefon zu kriegen, um in Erfahrung zu bringen, wann sie die Obduktionen durchführen konnte. Dies hier war ein Fall,bei dem Martine im Obduktionssaal selbst anwesend sein mußte, und mit drei Opfern würde das Zeit brauchen.
    Wie sich herausstellte, wollte Alice um vier Uhr obduzieren. Martine sah auf die Uhr. Dann schaffte sie ohne Problem vorher die Pressekonferenz, sie sollte strenggenommen nicht mehr als eine halbe Stunde dauern. Sehr viel hatte sie nicht zu sagen. Sie vereinbarten, sich kurz vor vier im Leichenschauhaus zu treffen.

    Das Medienaufgebot war das größte und internationalste, das sie je gesehen hatte. Der bescheidene Saal des Justizpalastes für Pressekonferenzen war so voll, daß Journalisten entlang den Wänden standen und sich im Gang zwischen den Stuhlreihen drängten, und auf dem Tisch vor Martine und Christian fanden sich neben den üblichen belgischen Mikrofone von der BBC und von deutschen und französischen Fernsehsendern. Nathalie Bonnaire von der Gazette de Villette saß ganz vorn im Saal mit einem Exemplar ihrer Zeitung in der Hand. Sie begegnete Martines Blick, lächelte hold, zeigte auf die Titelseite der Zeitung und hob die Augenbrauen. Martine lächelte zurück und nickte kaum merkbar – ja, sie hatte notiert, daß die Lokalzeitung darauf verzichtet hatte, die Namen der ermordeten Mädchen zu publizieren.
    Es war zwei. Martine stellte das Mikrofon an.
    – Willkommen zu dieser Pressekonferenz, sagte sie. Ich heiße Martine Poirot. Ich bin Untersuchungsrichterin und verantwortlich für die Voruntersuchung des dreifachen Mordes, der sich, wie Sie vermutlich wissen, letzte Nacht in Villette ereignet hat. Neben mir sitzt Kommissar Christian de Jonge, der die Ermittlungsarbeit der Polizei leitet.
    Sie hatte mit Christian und mit Clara Carvalhodiskutiert, was sie auf der Pressekonferenz sagen wollten: die Namen der ermordeten Mädchen und die Tatsache, daß sie einen einundzwanzigjährigen Mann aus Villette als Mordverdächtigen verhaftet hatten, aber nicht sehr viel mehr. Sie wollten alle, die die Mädchen im Laufe des Freitags gesehen hatten, bitten, sich bei der Polizei zu melden. Von den Familien der Mädchen hatten sie deshalb Fotos bekommen, die sie für die Presse kopiert hatten. Aber in viel zuwenig Exemplaren, dachte Martine, als sie die Reporterschar überblickte. Es würde eine Schlägerei darum geben.
    Die erste Frage kam vom BBC-Reporter ganz vorn im Saal.
    – Madame Poirot, sagte er, zwei Fragen, wenn Sie erlauben. Heute hat Villette seine Kandidatur für Europas Kulturhauptstadt 1999 vorgestellt, und gleichzeitig sind in der Stadt drei junge Mädchen brutal ermordet aufgefunden worden. Wie, glauben Sie, werden die Morde Villettes Aussichten, Kulturhauptstadt zu werden, beeinflussen? Und meine zweite Frage, es ist jetzt das zweite Mal in kurzer Zeit, daß Sie, Madame Poirot, einen international beachteten Mordfall untersuchen. Wie kommt es, daß eine relativ kleine Stadt wie Villette in so kurzen Abständen von solchen Verbrechen heimgesucht wird? And could you please answer in English.
    Was für eine idiotische Frage, dachte Martine. Nicht wie die kurzen, konzisen Fragen, die die Kriminalreporter normalerweise stellten. Sie versuchte schnell, eine Antwort auf englisch zu formulieren.
    – Ich weiß natürlich nicht, was für die Wahl der Kulturhauptstadt ausschlaggebend sein wird, sagte sie, aber ich gehe davon aus, daß sie ausgehend von den kulturellen Voraussetzungen der Kandidaten entschieden wird. Villette hatim internationalen Vergleich keine besonders hohe Kriminalität. Und was diese Morde mit meiner früheren

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