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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Risiko, daß Gewalt nahelag, wenn entsetzliche Bilder aus Ruanda in seinem Kopf abspulten, als er die Straße nach Givray entlanggefahren war.
    – Hast du Hilfe bekommen, sagte sie vorsichtig, ich meine, hast du mit einem Psychologen oder so gesprochen?
    Er sah schnell auf und glotzte sie mit unendlicher Distanz in den dunklen Augen an.
    – Pah, so was, sagte er, daran glaube ich nicht. Obwohl Julie, meine Cousine, mir deswegen in den Ohren liegt. Übrigens habe ich gedacht, ich könnte es schaffen, die zweite Halbzeit im Fußball zu sehen, das ist ungefähr das einzige, was funktioniert, wenn ich alles, was in meinem Kopf herumschwirrt, zum Schweigen bringen will.
    – Und, hast du es geschafft, fragte Martine, etwas von dem Spiel zu sehen?
    Sie hatte sich hier auf dünnes Eis begeben, weil sie kaum wußte, welche Mannschaften aufeinandergetroffen waren. Aber es war am besten, direkt zu fragen.
    – Ja, sagte Jean-Pierre, ich hab Santos’ Kopfballtor gesehen, super, und dann Bebetos Tor Ende der zweiten Halbzeit.
    – Okay, sagte Martine, dann kehren wir zu dem Moment zurück, wo du angefahren kamst und die Mädchen die Straße entlangspazieren sahst. Was hast du da gedacht?
    Er sah sie verwirrt an.
    – Gedacht und gedacht, ich hab gedacht, daß sie ihren Scheißbus ja doch verpaßt haben.
    Martine wartete.
    – Ja, sagte er, und daß ich natürlich fragen muß, ob sie mitfahren wollen.
    – Obwohl du nicht unter Leuten sein wolltest, sagte Martine.
    – Ich konnte sie doch nicht einfach mit ihren hohen Absätzen da gehen lassen, sagte er, es waren noch mehrere Kilometer nach Givray. Also hab ich angehalten und gefragt, ob sie mitfahren wollen, und das wollten sie.
    – Und was ist passiert, als sie ins Auto gestiegen waren, sagte Martine, wie saßen die Mädchen zum Beispiel?
    Er sah aus, als denke er nach.
    – Sabrina neben mir, sagte er, dann Peggy, und ihre kleine Schwester ganz außen.
    – Ziemlich eng, oder, sagte Martine. Sie fragte sich, ob in dem engen Lastwagenfahrerhaus etwas passiert war, das Jean-Pierre Wastia dazu gebracht hatte, in unkontrollierbarer Wut aufzubrausen, die in Gewalt übergegangen war.
    – Nicht so schlimm, sagte er, die Mädchen waren ja schmal, und sie wollten nur ein paar Kilometer mitfahren.
    – Und wie war es, als sie in den Lastwagen gestiegen waren, sagte Martine, habt ihr geredet, habt ihr still dagesessen?
    – Sabrina hat die ganze Zeit gequasselt, sagte er, sie und Peggy waren ziemlich albern.
    – Hast du vielleicht mit Sabrina geflirtet, sagte Martine und dachte an die blonden Haare auf der Schulter von Jean-Pierres Jacke, du hast mit ihr doch schon im La Cave du Cardinal geflirtet?
    – Sie glauben mir natürlich nicht, sagte Jean-Pierre resigniert, aber es war eher sie, die mit mir geflirtet hat, sie war ein Typ, der gern flirtet, Sabrina, sie hat im Lastwagen den Kopf auf meine Schulter gelegt und – ja, gegurrt. Und sie war ja verdammt hübsch, aber sie war, wie alt, ja, siebzehn, und ziemlich kindisch. Und so was macht mich nicht mehr an, Mädels, die jung und kindisch sind. Nicht nach dem letzten Frühjahr …
    – Nach Ruanda, meinst du, sagte Martine.
    – Nach Ruanda, stimmte Jean-Pierre zu und sah plötzlich älter aus als seine einundzwanzig Jahre.
    – Und dann kamt ihr an die Abzweigung nach Givray, sagte Martine.
    – Und Sabrina hat gesagt, sie würden da aussteigen, sagte Jean-Pierre, genau wie ich vorhin gesagt habe.
    – Wollten sie nicht den ganzen Weg gefahren werden, sagte Martine, das war doch merkwürdig. Woran lag das?
    – Weiß ich doch nicht, sagte Jean-Pierre, Sabrina wollte da raus. Aber die Kleine, Nadia, wollte bis nach Givray gefahren werden, und die dritte, Peggy, die konnte sich nicht entscheiden.
    – Das klingt komisch, sagte Martine, sie waren schon weit gegangen, und sie hatten hohe Absätze und unbequeme Schuhe. Bist du sicher, daß es so abgelaufen ist, wie du jetzt sagst, Jean-Pierre?
    Er richtete sich auf und sah ihr von seinem niedrigen Stuhl aus böse direkt in die Augen.
    – Ja, zum Teufel, das ist wahr! Ich kann doch verdammt noch mal nicht wissen, was Sabrina gedacht hat, ich weiß nur, daß sie die ganze Zeit hin und her diskutiert haben, bis ich sauer geworden bin über ihr Gequatsche …
    – Aha, du bist sauer geworden über ihr Gequatsche, sagte Martine, und was machst du, wenn du sauer wirst, Jean-Pierre? Du kannst sehr wütend werden, stimmt’s? Bist du vielleicht so wütend geworden, daß du nicht wußtest,

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