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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Raymond Janssens im Zusammenhangmit Immobiliengeschäften kennengelernt. Ich glaube, daß die Väter übereingekommen waren, daß David Simone unterrichten sollte. Nun, Mendels waren natürlich Juden, und Ende 1940 kamen Verordnungen, daß alle Juden und jüdischen Unternehmen registriert werden mußten. Aber sehr viel mehr passierte damals nicht, in den ersten Monaten. Nein, das Jahr, in dem alles passierte und sich alles veränderte, das war 1942.
    Und das erste, was passierte, war, daß der kleine Eric krank wurde. Er war immer ziemlich kränklich, und Anfang 1942 bekam er eine Lungenentzündung, von der er sich sehr schwer erholte. Es herrschte ja Mangel an allem, knappe Nahrungsmittel und knapper Brennstoff. Vor dem Krieg hätten sie Eier und Sahne in ihn hineingestopft und ihn in einem warmen Zimmer unter eine Daunendecke gelegt, aber das ging jetzt nicht. Er wurde blaß und mager und hörte nicht auf zu husten, und Raymond und Hélène machten sich schreckliche Sorgen. Schließlich beschlossen sie, daß er in die Schweiz fahren sollte, wo es frische Bergluft und Frieden und reichlich Essen gab, um sich zu kurieren. Er konnte ja nicht allein reisen, und so sollte Hélène mit ihm fahren. Simone sollte auch mit in die Schweiz, aber sie weigerte sich. Sie wollte zu Hause in Uccle bleiben und mit Renée zusammen sein und Stunden von David bekommen und sich um ihren Vater kümmern, sagte sie.
    Da fragte mich Hélène, ob ich nicht lieber bei ihnen arbeiten wollte, als eine Art Haushälterin. Sie hatten eine Hausangestellte gehabt, aber die hatte gerade gekündigt. Und ich habe gern den Arbeitsplatz gewechselt. Ich fand es allmählich peinlich, bei Maurice de Wachter zu arbeiten. Er hatte jeden zweiten Abend Besuch von deutschen Diplomaten und Leuten von der Gestapo und hohen Tieren ausder Militärverwaltung. Einmal war sogar General von Falkenhausen da. Meine Freunde fingen an, über meine Arbeit zu sticheln, und es war schön, da wegzukommen. Und Roger war ja so groß, daß er kein Kindermädchen mehr brauchte.
    Hélène und Eric reisten Anfang Februar ab, und danach, muß ich wohl sagen, kehrte in der Rue de l’Étoile Polaire Nummer 4 ein wenig Anarchie ein. Raymond beschäftigte sich mit seinen Angelegenheiten und beklagte sich über nichts, solange irgendwelches Essen auf dem Tisch stand, wenn er nach Hause kam, und Simone da war, um ihm beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Und für Essen auf dem Tisch konnte ich sorgen, aber viel Autorität gegenüber Simone hatte ich nicht. Wir kamen gut miteinander aus, aber es waren nur vier Jahre zwischen uns, und schließlich waren wie mehr wie Freunde. Das bedeutete, daß sie meistens genau das machte, was sie wollte.
    David hatte es schwer. Er wurde Anfang 1942 von der Universität geworfen, damals fingen sie an, Juden von Ausbildungen auszuschließen, aber er unterrichtete weiter Simone, und am Ende tat er es fast ganztags. Der Diamantenhandel seines Vaters war mehrere Male attackiert worden, und schließlich machte ihn der Vater zu und versuchte, über Frankreich nach England zu fliehen. Aber er wurde geschnappt und landete in einem Lager. Und es lag in der Luft, daß es Leuten wie ihnen schlimm ergehen würde. Im Mai kam eine Verordnung, daß Juden aus Belgien zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt werden sollten.
    Da entschieden Simone und Renée, daß sie David verstecken würden. Sie richteten auf dem Dachboden einen Unterschlupf für ihn ein und stellten einen Schrank so auf, daß er die Tür, die dort hinaufführte, verbarg. Raymond wußtenichts davon, und ich zunächst auch nicht. Ich merkte nur, daß Simone plötzlich sehr viel aß. Aber eines Tages erwischte ich David, als er in Simones Zimmer saß und ihre Matheaufgaben korrigierte. Ja, ich habe natürlich niemandem etwas gesagt, und ich habe sogar versprochen, es nicht Raymond zu erzählen.
    Zu dieser Zeit wagten es die Leute allmählich, sich gegen die Deutschen aufzulehnen. Ich erinnere mich an einen Abend im Sommer, es war wohl im Juli, an dem Raymond nach Hause kam und glänzender Laune war. Da hatten sich die Notare in Brüssel gemeinsam geweigert, den Verkauf von Immobilien durchzuführen, die jüdischen Eigentümern gehörten, die abwesend waren, Davids Vater zum Beispiel. Die Notare hatten erklärt, es verstoße gegen das Völkerrecht und gegen das belgische Grundgesetz, es zu tun, erzählte Raymond. Er war so froh, daß er zum Abendessen im Weinkeller ein paar Flaschen guten Wein holte,

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