Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
»Einen Moment«, sagt sie, dann verschwindet sie für ein paar Minuten und kehrt mit einem fünf Jahre alten Bankauszug zurück.
»Das ist seine letzte Überweisung«, erklärt sie mir.
Ich werfe einen Blick auf das Blatt. Julians Name steht nicht drauf. Nur seine Kontonummer und das Wort »Rachel«.
»Kann ich ihn behalten?«
»Natürlich.«
Nachdem ich mein Wasser geleert habe, bringt sie mich zur Tür. »Die Polizei, wird sie seinen Mörder bald fassen?«
»Sie werden ihn kriegen.«
»Aber Sie sind schneller, oder?«
»Ja.«
»Können Sie mir was versprechen?«, fragt sie.
»Ich tue mein Bestes«, antworte ich, denn ich weiß schon, worum sie mich bitten wird.
»Versprechen Sie mir, dass Sie ihn finden, bevor dem anderen Mädchen was passiert. Versprechen Sie mir, dass er für seine Taten büßen wird. Für Rachel. Und für die anderen. Für uns alle. Lassen Sie ihn büßen, und sorgen Sie dafür, dass er nie wieder einem Mädchen etwas antun kann.«
Kapitel 46
»Was zum Teufel willst du?«
»Deine Hilfe«, sage ich.
»Das soll wohl ein Scherz sein.«
Es ist immer noch Samstagmorgen. Ich hätte Landry oder Schroder anrufen sollen, doch stattdessen bin ich zum Krankenhaus gefahren. Ich muss mich jetzt ganz auf mich selbst verlassen, erst recht wenn sich die Gelegenheit ergeben sollte, Sidney Alderman aus dem Grab seiner Frau auszubuddeln. Was nicht möglich ist, wenn ich in Polizeigewahrsam erzähle, wie ich an meine Informationen gekommen bin.
Besuchszeit am Samstagmorgen, das bedeutet, dass die Flure voll umherirrender Familienangehöriger und Freunde sind. In der Luft liegt der widerliche Geruch von Desinfektionsmittel und Kotze, aber man gewöhnt sich rasch daran. Emmas Vater verpasst mir einen Stoß gegen die Brust, und ich stolpere mehrere Stufen rückwärts hinunter. Ich leiste keine Gegenwehr. Er kommt auf mich zu. Ein paar Leute beobachten uns, doch niemand greift ein. »Ich hätte dich umbringen sollen«, sagt er.
»Dafür ist immer noch reichlich Zeit«, antworte ich und hebe beschwichtigend die Hände. »Hör mir wenigstens zu, bevor man dich wegen Körperverletzung rauswirft.«
»Du bist der Grund, warum wir überhaupt hier sind«, sagt er. »Darum wird man dich rauswerfen und mir eine Medaille umhängen.«
»Vielleicht solltest du mich erst mal ausreden lassen«, sage ich. »Ich habe nämlich ein paar interessante Neuigkeiten für dich. Du bist mein Anwalt, denk dran. Du hast mich aus dem Knast geholt. Darum ist es dein Job, mit mir zu reden. Andernfalls gehe ich zu deiner Kanzlei und nehme mir einen anderen Anwalt. Ich werde ihnen alles über dich und unseren kleinen Ausflug neulich erzählen.«
»Leck mich.«
»Das war wohl etwas unüberlegt, was? Bis zum Gerichtstermin bist du jetzt für mich zuständig. Tja, du dachtest wohl, dass ich bis dahin tot bin und das keine Rolle mehr spielt. Aber das tut es jetzt doch. Wenn du mir hilfst, nehme ich mir einen anderen Anwalt. Niemand muss erfahren, was passiert ist.«
»Scher dich zum Teufel!«
»Denk drüber nach. Reg dich erst mal ab und denk drüber nach.«
Er tritt einen Schritt zurück und bleibt im Eingang zur Station stehen. Dann betrachtet er seine Tochter. Sie ist wach und an jede Menge Geräte angeschlossen. Ein Fernseher läuft. Sie schaut vom Bildschirm zu ihrem Vater herüber. Seine Frau blickt ebenfalls zu mir herüber, eine attraktive Blondine, für einen Krankenhausbesuch vielleicht etwas zu schick gekleidet. Sie merkt, dass irgendwas im Busch ist, weiß aber nicht, was. Sie erkennt mich nicht. Wenn, dann würde sie losschreien. Mir die Augen auskratzen. Mein Anwalt wendet sich wieder zu mir um.
»Was willst du?«
Während ich es ihm erkläre, schüttelt er die ganze Zeit den Kopf.
»Unmöglich«, sagt er schließlich.
»Ich dachte, damit verdient ihr Anwälte euer Geld.«
»Wir verdienen an den sicheren Fällen.«
»Aber mit den unmöglichen macht ihr mehr Geld.«
»Kein Richter würde so was absegnen.«
»Aber das ist genau der Punkt, okay? Du brauchst keinen Richter dafür. Besorg mir die Vorlage, den Rest erledige ich selber. Und du hörst nie wieder von mir. Dir wird nichts passieren. Ich werde niemandem erzählen, wo du sie herhast.«
»Nein.«
»Nein?«
»Genau«, sagt er. »Ich gehe zu meinem Chef und erkläre ihm, was ich mit dir gemacht habe. Er wird das verstehen. Und sagen, dass er dasselbe getan hätte.«
»Vielleicht gehe ich dann zur Zeitung und erzähle denen ein bisschen was von
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