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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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schaden, oder? Nur um Auf Wiedersehen zu sagen. Ich muss die ganze Zeit an dich denken. Ich wünschte, die Dinge lägen anders, trotzdem sollst du wissen, dass du mir hilfst, das alles durchzustehen. Du bist der Grund, dass ich mein Leben wieder auf die Reihe kriege.«
    Ich sage ihr allerdings nicht, dass es erst einen Tag her ist. Vielleicht habe ich ihr in einer Woche etwas anderes zu erzählen. Vielleicht schaffe ich es ja, einen Abschiedsdrink zu nehmen, ohne in den Abgrund zu stürzen. Vielleicht.
    Als ich wieder unten bin, sitzt Carol Hamilton am Empfang.
    »Gut, dass Sie wieder herkommen«, sagt sie.
    »Sie fehlt mir.«
    »Ich weiß. Es ist eine schreckliche Situation, für Sie noch mehr als für Ihre Frau. Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun.«
    »Ich weiß. Das wünsche ich mir jeden Tag.«
    Sie antwortet nicht, und ich lasse die Stille wie ein Leichentuch auf uns herabsinken, so dass wir beide Gelegenheit haben, darüber zu sinnieren, was im Leben sonst noch anders sein könnte.
    »Ich frage nur ungern«, sage ich und reiße sie aus ihren Gedanken, »aber haben Sie einen Computer, den ich mal kurz benutzen dürfte? Und einen Fotokopierer?«
    »Ich … ähm …«
    »Es dauert nur ein, zwei Minuten. Versprochen.«
    »Geht in Ordnung, Theo. Kommen Sie mit.«
    Sie führt mich in ein Büro, dessen Wände mit Familienfotos und Kinderzeichnungen übersät sind. Offensichtlich brauchen die Leute, die hier arbeiten, einen starken Bezug zu einer anderen Wirklichkeit, einer Wirklichkeit, in der ihre Familien von den schlimmen Dingen des Lebens verschont bleiben. Ich will mich gerade an Computer und Fotokopierer zu schaffen machen, als ich eine Schreibmaschine entdecke. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine gesehen habe.
    »Von einer der Schwestern«, sagt Carol, »ist noch von der alten Schule.«
    Ich spanne den Gerichtsbeschluss in die Maschine und tippe den Namen des Priesters und die Anschrift seiner Bank in das dafür vorgesehene Feld. Dann kritzle ich eine unleserliche Unterschrift darunter. Carol Hamilton schaut mir die ganze Zeit dabei zu, ohne mich zu fragen, was ich da tue. Sie weist mich auch nicht darauf hin, dass ich länger als die versprochenen zwei Minuten brauche. Als ich fertig bin, bedanke ich mich für ihre Zeit, und dann tut sie etwas, was sie sonst nicht tut – sie legt mir die linke Hand auf die Schulter, ergreift mit der anderen meine rechte und sagt, dass ich die Hoffnung nicht aufgeben darf. Ich weiß nicht, ob sich das auf Bridget oder mich bezieht.
    Ich habe bereits den Wagen angelassen und den Gang eingelegt, als sie plötzlich in der Tür auftaucht und mich zu sich winkt.
    »Vielleicht hat das nichts zu bedeuten«, sagt sie, »aber trotzdem sollten Sie sich das ansehen.«
    »Was denn?«
    »Kommen Sie mit«, sagt sie, also schalte ich den Motor aus und folge ihr zurück ins Gebäude und weiter die Treppe hinauf.
    Meine Frau sitzt immer noch am Fenster und starrt hinaus in den Regen. Während ich das Zimmer betrete, bleibt Carol im Türrahmen stehen. Bridget sitzt in genau derselben Position da wie vorhin, und zunächst weiß ich nicht, was Carol mir zeigen will, doch dann bemerke ich es. Bridget umklammert ein Foto von unserer Tochter. Irgendwann nachdem ich gegangen bin, ist sie aufgestanden und zum Nachttisch geschlurft und hat nach dem Fotorahmen gegriffen. Ich muss an die Bilder von den toten Mädchen in meiner Tasche denken, und es kommt mir wie ein Omen vor: dass sie ausgerechnet heute das Foto genommen hat. Sie hält den Rahmen gegen die Brüste gepresst, Emilys Bild Richtung Fenster gedreht, als wollte Bridget die Aussicht mit ihr teilen. Ich möchte mehr darin sehen, ich möchte glauben, dass dies mehr ist als eine ihrer willkürlichen Verhaltensweisen, und ich suche in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen dafür – einer Träne, dem Aufflackern einer Emotion -, doch da ist nichts. Trotzdem, es ist das erste Mal, dass sie überhaupt etwas aufgehoben und mit zu ihrem Stuhl genommen hat. Zumindest soweit ich das mitbekommen habe – vielleicht tut sie das ja sonst nachts und stellt es am Morgen wieder zurück. Aber auch dann gefällt mir die Vorstellung, dass sie mitten in der Nacht aufsteht und die Hand nach Emily ausstreckt. Es ist traurig, ja deprimierend, aber es ist das Fünkchen Hoffnung, an das ich mich klammern kann.
    Ich setze mich neben sie und lege meinen Kopf auf ihre Schulter, umarme sie; aus meinen Augen kullern Tränen und versickern in

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