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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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weiter, inzwischen mit dem Handballen, laut und penetrant. Weitere dreißig Sekunden verstreichen. Eine Minute.
    »Herrgott noch mal, was zum Teufel wollen Sie?« Die Stimme setzt sich gegen meine Klopfgeräusche durch.
    Heute ist so ein Tag, an dem ich keine Lust auf eine persönliche Auseinandersetzung habe; anstatt die Stimme also aufzufordern, die Tür zu öffnen, bevor ich sie eintrete, greife ich nach meiner Visitenkarte, nenne meinen Namen und erkläre, dass ich ein paar Fragen habe.
    »Man hat mir schon den ganzen Tag Fragen gestellt«, antwortet der Mann hinter der Tür. »Die Leute klopfen immer nur an, wenn sie was von mir wollen. Und ich hab die Nase voll von Leuten, die irgendwas wollen. Wissen Sie, was ich will, hä? Dass mich die Leute, verdammt noch mal, in Ruhe lassen. Herrgott, merkt man nicht, dass ich meine Ruhe haben will? Oder sehen Sie hier irgendwo’ne Einladung?«
    »Es dauert nicht lang.«
    »Keine Chance.«
    »Das ist wirklich schade«, sage ich, »denn es ist kalt hier draußen. Ich muss mich also irgendwie aufwärmen, und das geht am besten, wenn ich weiter an Ihre Tür klopfe.«
    Die Tür vibriert kurz, als sie hängen bleibt und sich aus dem Rahmen löst, bevor sie sich öffnet.
    Vor mir steht der Mann, dessen Bild ich früher am Abend in dem Artikel über den pensionierten Friedhofswärter gesehen habe. Ich strecke die Hand aus und zeige Sidney Alderman meine Visitenkarte, doch er nimmt sie nicht.
    »Ich weiß, wer Sie sind«, sagt er. »Sie sind der Cop, dessen Tochter gestorben ist.«
    Er stößt die Worte hervor, als handle es sich um eine Beleidigung, und ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren soll. Die Tatsache, dass sich der Mann an mich erinnert, lässt mich erschaudern. Es ist zwei Jahre her, dass er Emilys Sarg mit Erde bedeckt hat. Wie hat er sich das bloß gemerkt? So wie er das sagt, würde ich ihm am liebsten eine knallen.
    Er grinst, und Dutzende von Falten in seinem alten Gesicht spannen sich in Dutzende von Richtungen. Er hat einen grauen Dreitagebart, und seine Haare sind völlig durcheinander, genau wie seine Klamotten. Er wirkt, als hätte er gerade eine Woche in der Wüste hinter sich. Sollte er mir vor zwei Jahren aufgefallen sein, kann ich mich nicht mehr daran erinnern. In diesem Licht haben seine Augen etwas Undurchdringliches.
    Er stinkt nach billigem Bier und noch billigerem Wodka, außerdem riecht er auch nach etwas anderem, etwas, das ich nicht identifizieren kann und das mich an alte Männer erinnert, die in Krankenhäusern und Heimen herumhängen, wo sie sich reihenweise uralte Bazillen einfangen.
    »Ich suche Ihren Sohn«, sage ich.
    »Nur dass Sie kein Cop mehr sind, stimmt’s, Tate«, sagt er.
    »Man muss kein Cop sein, um nach jemandem zu suchen«, betone ich. »Deshalb gibt es Telefonbücher.«
    »Dann benutzen Sie Ihre verdammten Finger«, sagt er und fängt an, die Tür zu schließen.
    Doch ich schiebe meinen Fuß dazwischen.
    »Was ist passiert?«, fragt er. »Hatten Sie keine Lust mehr auf Donuts?« Er fängt an zu lachen und streicht sich über den Bauch, als hätte er gerade einen Mordswitz vom Stapel gelassen. »Nein, man hat Sie gefeuert, richtig? Weswegen noch mal?«
    Er grinst mich weiter an. Seine Zähne haben anscheinend seit Jahren keine Zahnpasta mehr gesehen.
    »Sie haben hier wirklich eine hübsche Wohnung«, sage ich – verdammt, vielleicht war der Tag doch noch nicht lang genug, denn jetzt kommt es zur persönlichen Auseinandersetzung. »Renovieren Sie gerade?«
    »Ja. Das hier ist ein verdammter Palast«, antwortet er, doch diesmal lacht er ohne den geringsten Anflug von Humor. Er klingt, als hätte er das irgendwo aufgeschnappt, im Fernsehen oder Radio. »Jemand ist gestorben? War das nicht der Grund für Ihre Entlassung?«
    »Wo steckt Ihr Sohn?«
    »Das weiß niemand. Die Polizei war den ganzen Nachmittag hier, okay? Sie haben meine Wohnung durchsucht und mir immer wieder dieselben verdammten Fragen gestellt, und ich habe ihnen immer wieder dieselbe Antwort gegeben, und daran wird sich auch jetzt nichts ändern.«
    »Ihr Junge hat irgendwas ausgefressen. Es wäre besser für ihn, wenn er kooperiert. Sagen Sie mir, wo er ist, dann kann ich ihm vielleicht helfen.«
    »Sie sind eine verdammte Witzfigur«, sagt er, dann grinst er wie ein Irrer. Und nichts anderes ist er. Der Gedanke, dass dies der Mann ist, der den Sarg meiner Kleinen mit Erde bedeckt hat, widert mich an. Es ekelt mich an, dass er in ihrer Nähe war.
    »Sie

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