Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Schein meiner Bremslichter, wirkt es, als stünde das Haus auf dem Mars. Ich fahre am Friedhof vorbei, vorbei an etwa einem Dutzend Leuten, die sich um die Toten kümmern und den Lebenden keine Beachtung schenken, zumindest im Moment. Ich passiere die riesigen Eisentore, die wie zweitausend Jahre alte Relikte wirken, angefertigt, um irgendeine Festung aus einer griechischen Sage zu beschützen. Vorbei an der Kirche, die abseits der Straße liegt. Ich habe keine Ahnung, was Bruce Alderman vorhat, und hoffe, dass wenigstens er es weiß.
An der ersten Kreuzung kommen wir hinter einem verbeulten Pick-up zum Stehen, mit einem ausgebleichten Aufkleber auf der Rückseite mit der Aufschrift BLAS MIR EINEN.
»Warum sagen Sie mir nicht, was los ist?«
Der Friedhofswärter antwortet nicht.
»Ich kann Ihnen helfen.«
»Mir helfen?«
»Sie müssen doch irgendwas wollen.«
»Was ich will, kann mir niemand geben.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es eben. Das ist unmöglich. Es sei denn, Sie können die Zeit zurückdrehen. Können Sie das? Können Sie die letzten zehn Jahre ungeschehen machen?«
Er hat aufgehört zu stottern; vermutlich liegt das daran, dass wir den Friedhof hinter uns gelassen haben. Oder vielmehr seinen Vater. Er klingt jetzt wieder wie heute Nachmittag, als ich kurz mit ihm gesprochen habe, bevor der Bagger angerückt ist und all diese Probleme aufgeworfen hat. Und er klingt, als würde er seine Frage ernst meinen, als würde er sich wünschen, dass ich das Unmögliche möglich machen kann. Ich hoffe, das ist nicht Teil seines Plans.
»Sie sind nicht der Einzige, der davon träumt, er könnte die Zeit zurückdrehen. Aber ich kann nichts weiter tun, als Ihnen zuhören. Und Ihnen ein paar Lösungsmöglichkeiten vorschlagen. Wollen Sie mir erzählen, warum Sie Rachel Tyler getötet haben?«
»Sie wissen, wie sie heißt?«, sagt er, anstatt es zu leugnen, wie es ein Unschuldiger tun würde.
»Ich bin eben auf Zack.«
»Darum haben Sie mich also gesucht; weil Sie glauben, dass ich diese Mädchen umgebracht habe.«
»Wollen Sie mir etwa was anderes weismachen?«
»Ich habe in meinem ganzen Leben niemanden getötet.«
»Aha. Hatten Sie es deswegen heute Nachmittag so eilig, dass sie den Lastwagen gestohlen haben? Halten Sie mir deswegen eine Pistole an den Kopf? Jemand, der unschuldig ist, benimmt sich anders.«
»Das wissen Sie nicht«, sagt er. »Können Sie auch nicht. Sie würden dasselbe tun.«
»Würde ich nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.«
Die Kreuzung wird frei, und wir fahren weiter, lassen uns vom Verkehrsstrom forttragen.
»Sie haben doch ein Büro, oder?«
»Warum?«
»Bestimmt haben Sie eins. Alle Privatdetektive haben ein Büro.«
»Ich kenne zwar nicht sämtliche Privatdetektive auf der Welt. Aber soweit ich weiß, kann die Hälfte von ihnen auch von ihrem Auto aus arbeiten. Oder von zu Hause.«
Er drückt mir den Lauf in den Nacken. Er scheint immer selbstsicherer zu werden. Relativ gesehen. Inzwischen ist er vielleicht selbstsicherer als ein sechsjähriges Mädchen, das als Mutprobe den Friedhof überquert. Allerdings nicht so selbstsicher wie ein Kerl, der eine Bank überfällt.
»Sind wir dort ungestört?«, fragt er.
»Ja.« Ich wechsle die Spur und ändere die Fahrtrichtung. »Der Kaffee ist allerdings nicht gerade der Knaller.«
Während der restlichen Strecke sagt er kein Wort mehr, und ich spreche ihn auch nicht an.
Schließlich biege ich auf den Parkplatz hinter dem Bürogebäude und halte auf meinem Stellplatz, von dem ich schon öfter jemanden habe abschleppen lassen.
»Und jetzt?«
»Gibt’s einen Sicherheitsmann bei euch im Gebäude?«
»Das ist keine Bank.«
Auf dem Weg zum Hintereingang hält er sich außer Reichweite, doch als wir an der Tür sind, tritt er näher. In der Wand befindet sich ein Kartenschlitz – primitivste Technik -, und ich ziehe meine Karte durchs Lesegerät. Es ertönt ein mechanisches Geräusch, Metall löst sich von Metall, dann drücke ich die Tür auf. Er folgt mir dicht auf den Fersen, und die Gelegenheit, ihn loszuwerden, indem ich ihm die Tür ins Gesicht knalle, ist dahin.
»Wie viele Stockwerke?«, fragt er.
»Wie viele Stockwerke was?«
»In welchem Stock liegt Ihr Büro?«
»Im achten.«
»Dann nehmen wir die Treppe.«
Ich habe bereits den Fahrstuhlknopf gedrückt, und die Türen haben sich geöffnet. »So sind wir viel schneller.«
»Zu eng.«
»Haben Sie Platzangst?«
»Wo geht’s
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