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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Tag, und es ist schon spät. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Stunden ich mit der Polizei geredet habe. Und mit den Familien, deren Angehörige hier ruhen. Sie haben pausenlos angerufen, Theo, aus Angst, dass man ihre Mütter und Väter, ihre Söhne und Töchter entweiht hat. Vor einer Stunde haben die Anrufe endlich aufgehört, und seitdem suche ich etwas Zerstreuung.« Er wedelt mit dem Notizblock herum. »Haben Sie das hier gelesen?«, fragt er und hebt die Zeitung auf.
    »Was?«, frage ich, ziemlich sicher, dass seine Zerstreuung hundert Meilen entfernt ist; nämlich dort, wo Vater Julian allem Anschein nach hingestarrt hat, bevor er mich bemerkte.
    »Das hier«, sagt er und deutet auf einen Artikel.
    »Ja.« Es handelt sich um einen Zeitungsbericht über die neue Werbekampagne für McClintoch Mineralwasser. Landesweit wurden Werbetafeln aufgestellt und Zeitungsanzeigen geschaltet. Über einem Bild von Jesus, der Wein in Mineralwasser mit McClintoch-Etiketten verwandelt, steht: »Was würde Jesus trinken?«
    »Ich verstehe das einfach nicht«, sagt er und schüttelt den Kopf.
    »Die Zeiten ändern sich«, sage ich und hoffe, dass meine Antwort nicht unangebracht ist. »Vater, ich hatte gehofft, Sie können mir helfen.«
    »Weil ich Ihnen geholfen habe, Theo, hatte ich heute einen sehr langen Tag.«
    »Hätten Sie lieber alles so gelassen, wie es war?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wenn ich Ihnen in Zukunft helfen soll, müssen Sie mir etwas früher Bescheid sagen, damit ich einen Urlaub einplanen kann.«
    Wir sitzen uns mittlerweile gegenüber und stützen in einer Imitation des anderen beide die Ellbogen auf die Bank. Die Bänke sind aus robustem Holz und an den Rändern etwas abgenutzt, trotzdem haben sie die Jahre gut überdauert, so wie das nur Qualitätsarbeit aus der Zeit vor sechzig oder siebzig Jahren kann. Der Holzjesus blickt auf uns herab, hölzerne Nägel in seinen hölzernen Händen. Er hält ebenfalls durch.
    »Es war ein wahnsinnig anstrengender Tag«, sagt Vater Julian. »Für uns alle. Manchmal frage ich mich …« Er beendet den Satz nicht, sondern lässt ihn einfach verhallen, und ich stelle mir vor, dass er sich alles Mögliche fragt. Kein Wunder, das geht uns allen so. Vor allem fragt er sich wohl, wo in der ganzen Sache für Gott Platz ist.
    »Spielen Sie mit dem Gedanken, sich zur Ruhe zu setzen?«
    Für einige wenige Sekunden kehrt sein Lächeln zurück – um seine Augen herum bilden sich ein paar Fältchen -, dann seufzt er. »Nein, nein, noch nicht. Wenn ich heute älter aussehe als sonst, liegt das an diesem Tag. Er war wirklich sehr lang.«
    »Für uns alle, Vater. Was können Sie mir über den Friedhofswärter sagen, der mir heute Nachmittag geholfen hat?«
    »Bruce? Bruce Alderman? Warum fragen Sie?«
    »Ich möchte mit ihm sprechen.«
    »Ah«, sagt er und schüttelt langsam den Kopf. Plötzlich sieht er nicht mehr müde, sondern traurig aus. »Sie denken, er ist dafür verantwortlich. Nun, ich kann Ihnen auch nicht mehr erzählen, als ich der Polizei gesagt habe.«
    »Und was haben Sie denen erzählt?«
    »Dass Bruce ein guter Mensch ist, und eine so schändliche Tat, nun … darüber ist er einfach hinaus.«
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mehr Menschen zu einer Schandtat fähig sind, als man glaubt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Vater Julian das ebenfalls weiß.
    Ich rücke auf der Bank hin und her. Gute Arbeit hat nicht unbedingt was mit Komfort zu tun. »Haben Sie ihnen gesagt, wo sie Bruce finden können?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Man flüchtet, weil man Schuldgefühle hat, Vater.«
    »Oder Angst. Niemand würde gerne sehen, was er gesehen hat.«
    »Aber aus Angst klaut man keinen Lastwagen und taucht dann unter.«
    »Ich wünschte, Sie könnten mir in dieser Sache einfach vertrauen, Theo. Ich versichere Ihnen, Bruce ist kein schlechter Mensch. Außerdem konnte er gar nicht wissen, dass diese armen Leute aus dem See auftauchen würden.«
    »Aber er wusste, was wir ausgraben.«
    »Sicher. Sie hatten ja eine Anordnung für eine Exhumierung.«
    »Sagt Ihnen der Name Rachel Tyler was?«
    Er denkt ein paar Sekunden nach. »Sie ist vor zwei Jahren verschwunden«, sagt er.
    »Ihre Leiche wurde in Henry Martins’ Sarg gefunden.«
    Ein Ausdruck des Entsetzens macht sich auf seinem Gesicht breit, und er sieht auf einmal ausgesprochen krank aus. Er streckt die Hand aus und greift nach der Banklehne, als wollte er sich selbst davon abhalten, noch mehr

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