Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Gefängnis? Ich hab die Nachrichten gesehen, du Scheißkerl, ich hab gesehen, was du getan hast.«
»Ich habe Ihren Sohn nicht …«
»Tate, warum tust du uns allen nicht einen Gefallen und steigst in den Scheißaufzug.«
»Du verdammter Mörder!«, brüllt Alderman. Dann, plötzlich sehr viel ruhiger: »Warum lasst ihr ihn mit so was davonkommen?« Alarmiert durch das Geschrei, sind beide Gerichtsmediziner im Flur erschienen. Sheldon wirkt nervös, als könnte die Gewalt eskalieren und auf ihn übergreifen. Tracey macht einen enttäuschten Eindruck.
»Ab mit dir in den Aufzug, Tate«, wiederholt Landry.
»Du bist ein toter Mann«, brüllt Alderman erneut, als die Türen sich langsam schließen. »Hast du gehört? Ein toter …«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Rest des Satzes tatsächlich höre, oder ob ich ihn im Geiste ergänze.
Auf der Fahrt zum Büro versetze ich mich an Aldermans Stelle, und ich habe das ungute Gefühl, ich könnte zum selben Schluss kommen wie er. Ich habe ihm erklärt, dass es für seinen Sohn ungemütlich wird. Und noch in derselben Nacht stirbt sein Junge. Und am Morgen darauf bin ich in sämtlichen Nachrichten und sehe aus wie ein verdammter Killer.
Zurück im Büro werde ich von den Schaulustigen begrüßt, die die Show letzte Nacht verpasst haben und ihren täglichen Bedarf an menschlichem Drama nachholen wollen, indem sie mir hinterherstarren, während ich den Flur entlanggehe. Sie stellen mir Fragen. Und scheinen enttäuscht, dass ich nicht mehr mit Blut beschmiert bin. An meiner Tür klebt das Absperrband der Polizei. Ich knülle es zusammen, nehme es mit ins Zimmer und mache meinem Publikum die Tür vor der Nase zu. Ich kann nur noch daran denken, wie viele dieser Leute die Nachrichten angeschaut haben und jetzt dank einer Reporterin, die verzweifelt versucht, Aufmerksamkeit zu erregen, glauben, dass ich den Abzug gedrückt habe.
Von dem Gestank im Büro wird mir leicht übel. Bevor ich mich setze, lege ich ein Handtuch aus der Toilette und ein paar Zeitungen auf meinen Stuhl. Dann zerreiße ich ein Papiertaschentuch, knülle es zusammen und stopfe es mir in meine Nase. Als ich mein Handy einstöpsele, habe ich immer noch kein Signal, also wische ich das Bürotelefon mit ein paar feuchten Papiertaschentüchern ab, so dass man es wieder benutzen kann. Ich rufe eine Firma an, die ich bis jetzt nie anrufen musste, die ich aber im Laufe der Jahre immer wieder in Aktion gesehen habe. Das Reinigungsteam verspricht noch heute vorbeizukommen. Was sie nicht sauber kriegen, muss ich ersetzen, wie etwa die Bürostühle.
Nachdem ich aufgelegt habe, blicke ich zu dem Stuhl hinüber, auf dem Bruce Alderman gesessen hat, dann stehe ich langsam auf und spähe vorsichtig über die Tischplatte hinweg, als würde ich damit rechnen, dass er immer noch dort liegt. Aber da ist nichts weiter als jede Menge Blut. Ich setze mich wieder hin und blättere im Telefonbuch. Die erste Nummer, die ich wähle, ist der falsche Martins, doch die zweite ist richtig, und Laura Martins hebt ab.
Als ich ihr erkläre, wer ich bin, kann Henry Martins’ Tochter sich wieder an mich erinnern.
»Sie haben Ihre Meinung also geändert«, sagt sie, »und jetzt ist ein weiterer Mann tot. Diese Hexe hat ihn getötet«, sagt sie. Damit ist ihre Stiefmutter gemeint. »Und das Einzige, worüber sie in den Nachrichten berichten, sind diese Leute, die im See gefunden wurden, und der tote Friedhofswärter. Was ist mit meinem Vater? Warum wurde er nicht erwähnt?«
»Bislang hat die Polizei noch keine Namen an die Medien weitergegeben«, sage ich. »Das können sie erst, wenn alle Leichen identifiziert sind.«
»Warum meinen Dad? Warum hat man ihn aus dem Sarg genommen und ins Wasser geworfen? Warum nicht jemand anders?«
»Zufall. Wahrscheinlich wurde das Mädchen an dem Tag ermordet, als man Ihren Vater beerdigt hat.«
»Zufall, ja? So was kommt eben vor, oder was? So wie eine negative Statistik?«
Da sie sich sowieso mit keiner Antwort zufriedengeben würde, lasse ich es. Stattdessen bringe ich mein Anliegen zur Sprache.
»Ihr Vater, hat er eine Uhr besessen?«
»Ja.«
»Wurde er mit ihr beerdigt?«
»Ich … ich bin mir nicht sicher. Möglich. Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Gut. Wissen Sie noch, was für eine Uhr das war?«
»Nicht wirklich. Das heißt, sie war alt.«
»Alt?«
»Ja. Seit ich auf der Welt bin, hat er diese Uhr getragen. Komisch, dass ich mich nicht erinnern kann, ob er sie bei seiner
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