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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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verlassen, als sie sie betreten hat.
    Ein junger Kerl mit Piercings in Ohren, Lippe und Nase öffnet mir die Tür. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen hat er bestimmt viel Spaß damit. Er kneift die Augen zusammen, denn das grelle Licht, das durch die Wolkendecke bricht, ist zu hell für ihn. Auf seinem T-Shirt steht Die Wahrheit liegt hier unten, und ein Pfeil deutet auf seinen Schritt. Ganz plötzlich ist die Wahrheit das Letzte, was ich wissen will.
    »David Harding?«
    »Nee, Alter, is nicht da.«
    »Und wo ist er?«
    Der Typ zuckt die Achseln. »In der Uni, glaub ich. Oder er pennt noch.«
    »Er schläft?«
    »Ja, Mann, weißt schon, was man morgens halt so macht, wenn man die ganze Nacht unterwegs war.«
    »Ich dachte, das tut man nachts.«
    »Auf welchem Planeten lebst du denn?«
    »Einem etwas älteren Planeten. Schläft er normalerweise hier?«
    »Ja, Mann.«
    »Wenn er also schläft, könnte es sein, dass er gerade hier ist?«
    Er scheint darüber nachzudenken. »Schätze schon.«
    »Wie wär’s dann, wenn du deine Universitätsbildung mal einsetzst, um das für mich rauszufinden?«
    »Meinetwegen, Bruder«, sagt er, dann wendet er sich ab und schlurft den Flur hinunter; dabei greift er zweimal nach der Wand, um sicherzugehen, dass weder sie noch er umfallen.
    Ich trete ein paar Schritte in den Flur, da ich annehme, dass Nietengesicht nichts dagegen hat, sondern bloß vergessen hat, mich hereinzubitten. Im Innern ist es kälter als draußen. Wahrscheinlich ist das bei diesen Häusern das ganze Jahr über so. Die Luft ist feucht, und Teppich, Tapeten und Möbel könnten einen Lufttrockner vertragen. An den Wänden hängen Poster, jedoch keine Fotos von Freunden oder Verwandten. Vom anderen Ende des Hauses dringt Gemurmel an meine Ohren, ohne dass ich allerdings etwas davon verstehe. Die andere Stimme klingt verkatert.
    Ich wage mich weiter vor. Über den Flur gelange ich in eine Küche direkt vom Anfang des letzten Jahrhunderts, und die vergammelten Lebensmittel, die überall herumliegen, könnten ebenfalls aus dieser Zeit stammen. Die Arbeitsfläche hat eine Resopalschicht mit gelbem Blumenmuster und ist mit Resten von Fast-Food-Verpackungen übersät. Die Kaffeekanne ist noch heiß. Ich gieße mir gerade eine Tasse ein, da betritt Nietengesicht das Zimmer. Er scheint nicht im Geringsten überrascht zu sein, dass ich in sein Haus eingedrungen bin und es mir bequem gemacht habe. Das ist bei Studenten wohl so üblich.
    »Er ist müde«, sagt Nietengesicht, eine freundliche Umschreibung für einen Kater.
    »Finde ich ihn dort?«, frage ich, während ich die Küche verlasse und in den Flur zurückgehe.
    »Ich hab doch gesagt, er ist müde, Alter. Er will jetzt nicht reden.«
    Ich drehe mich um und starre ihn an, und plötzlich scheint es ihm egal zu sein, ob ich David wecke oder nicht, solange ich ihm nicht weiter auf die Nerven falle. Er zuckt mit den Achseln und fängt an, den Kühlschrank nach etwas Essbarem zu durchstöbern.
    David Hardings Schlafzimmer ist dunkel, und es stinkt hier noch mehr als im übrigen Haus. Ich schalte das Licht an, doch das macht kaum einen Unterschied. Auf dem Boden liegt eine Doppelmatratze ohne Unterlage. Sie sieht aus, als wären ein Dutzend Leute darauf herumgesprungen. David blickt nicht hoch. Er hat seinen Kopf in ein Kissen vergraben.
    Ich hocke mich neben ihn.
    »David.«
    »Hau ab.«
    »Ich habe ein paar Fragen an dich.«
    »Mir egal.«
    Über den Boden verstreut liegen Kleidungsstücke, auf dem Schreibtisch und auf einem Stuhl stapeln sich Blätter mit Hausarbeiten neben Lehrbüchern. Der Teppich ist mit Lebensmittelverpackungen und Krümeln übersät. Ich öffne die Vorhänge und lasse etwas Licht herein. Er stöhnt leise auf. Dann drehe ich ihn um, und jetzt schaut er mich zum ersten Mal an. Am Hinterkopf und an der linken Seite, wo er auf dem Kissen gelegen hat, stehen seine Haare ab. In seinen Augenwinkeln kleben Reste von Schlaf. Seiner blassen Haut nach zu urteilen, geht er kaum vor die Tür. Irgendwie kommt er mir bekannt vor, möglicherweise habe ich sein Bild im Zusammenhang mit Rachel Tylers Verschwinden in der Zeitung gesehen. Er wirkt so verloren, wie man das nur in seinen Zwanzigern tut, wenn man noch zur Uni geht und einen Abschluss nach dem anderen macht, ohne zu wissen, was man wirklich mit seinem Leben anfangen soll.
    »Trink das hier.«
    »Hau ab.«
    »Ist ziemlich heiß«, sage ich. »Leg es also besser nicht drauf an, dass ich das über dir

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