Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Weise, über die ich lieber nicht nachdenken möchte. Ich streiche ihr das Haar aus dem Gesicht und hinter ihre Ohren, oder was davon jeweils übrig ist. Dann schlie ße ich den Deckel. Ich möchte nicht noch mehr Zeit mit ihr verbringen, auch wenn ich am liebsten die ganze Nacht hierbleiben und ihre Hand halten würde.
Mit derselben Schaufel, die Sidney Alderman getötet hat, schütte ich ihr Grab zu. Das scheint mir irgendwie richtig zu sein, und ich genieße die Schmerzen, die von meinem Daumen in den ganzen Arm ausstrahlen. Ich brauche eine Stunde, und als ich fertig bin, ist mein Hemd mit Dreck verschmiert und durchgeschwitzt; inzwischen ist es dunkel geworden, und der provisorische Verband an meinem Daumen ist blutgetränkt. Ich werfe die Schaufel in den Kofferraum des Geländewagens. Das Fahrzeug ist mit meinen Fingerabdrücken übersät. Und mein eigener Wagen steht ebenfalls noch hier. Ich bin ein Mörder, und wenn ich nicht aufpasse, wird es bald alle Welt wissen.
Ich fahre zurück zum Schuppen, wo ich ein paar Lappen mit Terpentin befeuchte; damit wische ich sämtliche Oberflächen ab, die ich berührt habe. Anschließend geht es weiter zu Aldermans Haus; ich parke in der Einfahrt und mache dort dasselbe. Ich putze den Geländewagen und trage die Schaufel zurück zu meinem Auto. Niemand folgt mir, als ich wieder losfahre. Niemand scheint mich zu beachten.
Die Schwestern im Pflegeheim sind nicht gerade begeistert, als ich bei ihnen auftauche.
Aber Carol Hamilton hat für heute frei, und so fragt mich wenigstens keine der anderen Schwestern, wovon zum Teufel ich heute Morgen die ganze Zeit geredet habe. Oder wieso ich so beschissen aussehe, warum meine Kleidung völlig durcheinander ist und meine Haut schwarz vor Dreck, oder warum ich ein schmutziges Taschentuch an meinem Daumen habe. Ich bleibe eine Stunde bei meiner Frau, und noch nie habe ich mich so sehr nach einer Reaktion von ihr gesehnt – dass sie meine Hand nimmt oder mich anblickt, anstatt an mir vorbeizustarren -, aber natürlich geschieht gar nichts. Ich erzähle ihr nicht, was passiert ist, sondern schaue aus demselben Fenster wie sie. So nahe wie jetzt habe ich mich ihr in den ganzen letzten zwei Jahren nicht gefühlt. In gewisser Weise beneide ich sie um ihre Welt.
Als ich nach Hause komme, zerbreche ich die Schaufel in ein halbes Dutzend Stücke und wische jedes davon ab, obwohl ich weiß, dass das nicht reicht. Ich muss sie so entsorgen, dass man sie nie findet. Danach gehe ich unter die Dusche und beobachte, wie Dreck und Blut von meinem Körper gewaschen werden, trotzdem fühle ich mich immer noch schmutzig. Ich entferne das Taschentuch von meinem Daumen und spüle die Wunde aus, die nach wie vor schwach blutet. Eigentlich müsste sie genäht werden, aber darauf werde ich verzichten. Nachdem ich sie verbunden habe, mache ich mir etwas zum Abendessen, kriege jedoch keinen Bissen runter. Als ich den Fernseher einschalte, verstehe ich nicht, wovon die Nachrichtensprecher überhaupt reden. Also nehme ich mir ein Bier, setze mich raus auf die Veranda und starre ein Stück Beton an, das wir frei gelassen haben, als wir vor fünf Jahren die Veranda gebaut haben. Damals haben wir unsere Namen in den feuchten Mörtel geritzt. Daxter kommt nach draußen und hüpft auf meinen Schoß, um ein paar Sekunden später wieder herunterzuspringen. Ich leere mein Bier und starre auf die Namen im Zement; später starre ich an die Decke meines Schlafzimmers, während ich versuche einzuschlafen. Ich denke an Quentin James und die Aldermans und an die vier toten Mädchen, die ich nicht kenne. Ich habe ihre Familien um eine Auflösung gebracht, denn der Mann, der mir hätte helfen können, ist tot. Jegliche Hoffnung auf eine Antwort, die sie vielleicht noch hatten, habe ich mit mir in den Abgrund gerissen.
Kapitel 24
Um vier Uhr morgens gebe ich es auf und setze mich an den Tisch, um einen Kaffee zu trinken. Immer wieder denke ich über das nach, was ich getan habe; als bestünde, wenn ich mir nur jede Einzelheit ins Gedächtnis rufe, die Möglichkeit, noch mal zurückzugehen und etwas daran zu ändern.
Vor zwei Jahren, nachdem ich mit Quentin James gesprochen hatte, habe ich geschlafen wie ein Toter. Ich bin nach Hause gekommen und habe mir etwas zu essen gemacht, habe ferngesehen und bin eine Stunde nach Mitternacht ins Bett gegangen. Es war ein neuer Tag und ich ein neuer Mann, und während ich unter die Decke kroch, schloss ich die Augen und
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