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Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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neun Jahre alt. Ihr Haar ist nicht ganz so grau wie das meiner Nachbarin, und ihre Brille nicht ganz so groß – doch in zehn Jahren wird man sie wahrscheinlich kaum noch unterscheiden können.
    »Du musst zu einem Arzt«, sagt sie.
    »Mir geht’s gut. Man hat mich bereits verarztet.«
    »Das wirkt aber nicht besonders professionell.«
    Sie fängt an aufzuräumen. Ich erkläre ihr, dass das nicht nötig ist, doch sie hält es lediglich nicht für nötig, meiner Bitte nachzukommen. Sie erklärt mir, wie enttäuscht Bridget wäre, wenn sie wüsste, was passiert ist, nicht nur weil ich betrunken Auto gefahren bin, sondern auch darüber, wie ich in letzter Zeit mit mir umgehe. Immer wieder sage ich »Ich weiß«, aber das kann sie nicht bremsen. Nach knapp einer Stunde darf ich sie nach Hause fahren, den Wagen behalte ich.
    »Ich bin übrigens knapp bei Kasse«, sage ich, »und ich brauche ein Handy. Ich frage das nur ungern, aber kannst du mir vielleicht ein bisschen unter die Arme greifen?«
    »Geld ist im Handschuhfach«, sagt sie. »Wir sorgen uns um dich, Theo. Mehr als du glaubst. Kommst du mit rein und sagst deinem Vater Hallo?«
    »Weiß nicht. Hängt davon ab, wie sehr es ihm gegen den Strich geht, dass ich mir seinen Wagen leihe.«
    »Dann solltest du dich besser auf den Weg machen«, sagt sie und lächelt mich an. Dann beugt sie sich vor, umarmt mich, und für einen ganz kurzen Moment habe ich das Gefühl, dass vielleicht doch alles gut wird.
    Als ich die Bücherei erreiche, öffne ich das Handschuhfach; darin befindet sich ein Umschlag mit tausend Dollar. Sie muss unterwegs bei einer Bank gehalten haben. Sie hat gewusst, dass ich nicht einfach vergessen habe, die Telefonrechnung zu begleichen, sondern dass ich sie nicht bezahlen konnte, weil ich seit Wochen nicht gearbeitet habe. Plötzlich würde ich am liebsten wieder umdrehen und ihr alles zurückgeben – das Geld und den Wagen -, denn ich habe es nicht verdient, dass sich jemand so um mich kümmert. Doch ich lasse es. Es gibt zu viele tote Mädchen, zu viele tote Friedhofswärter und einen toten Priester, sie alle treiben mich an. Außerdem hat irgendjemand da draußen versucht, mir einen Mord anzuhängen.
    In der Bücherei ist es warm und ruhig. Hier sitzen jede Menge Leute, die in einer ganz anderen Welt leben als ich und die freiwillig in Welten abtauchen, die der ähneln, in die ich gerade hinabstürze. Als ich im Computer das Zeitungsarchiv gefunden habe, drucke ich sämtliche Artikel aus, in denen die verschwundenen Mädchen erwähnt werden. Es sind zum Teil dieselben Ausschnitte, die ich unter Bruce Aldermans Bett gefunden habe, und zum Teil Artikel, die seit dem Auftauchen der Mädchen erschienen sind. Den Rest des Nachmittags verbringe ich damit, die Artikel erneut zu lesen. Außerdem drucke ich die Berichte über Bruce Aldermans Selbstmord aus sowie über das Verschwinden seines Vaters. Am Ende habe ich einen fast ein Zentimeter dicken Stapel Blätter, in dem es um die Toten geht.

Kapitel 39
     
    Auf dem Weg zur Leichenhalle schaue ich bei dem Laden rein, wo ich mein letztes Handy gekauft habe. Es kommt mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her. Sehr viel länger als vier Wochen. Ich gebe hundertfünfzig Dollar für ein neues Handy aus, das mehr Funktionen hat, als Gene Roddenberry sich je hätte träumen lassen. Ich möchte meine alte Nummer behalten, und man sagt mir, dass das ein, zwei Stunden dauern wird.
    Am Eingang der Leichenhalle, hinter einem Tisch, hockt ein Sicherheitsbeamter. Ich gebe ihm meine Personalien, und er durchforstet die Liste nach meinem Namen. Dann händigt er mir einen Besucherausweis aus, und ich hefte ihn mir an die Vorderseite meines Hemds. Er macht einen recht freundlichen Eindruck, was vermutlich daran liegt, dass er in letzter Zeit weder die Zeitung gelesen noch Nachrichten gesehen hat. Wahrscheinlich ist sein Bedarf an Realität durch seinen Job hier mehr als gedeckt.
    Mit jedem Schritt den Flur hinunter wird es ein wenig kälter. Ich trete durch die großen Plastiktüren, die den Flur und die Büros vom Kühlhaus trennen, wo die eigentliche Arbeit stattfindet. Es ist einen Monat her, dass ich das letzte Mal hier war. Und das Mal davor zwei Jahre. Die Abstände zwischen meinen Besuchen werden definitiv kürzer.
    »Hi, Tate«, sagt Tracey und wendet sich von den großen Schubladen ab, in denen die Menschen lagern, die ebenfalls das Pech haben, sich an einem Freitag um sechs Uhr abends hier aufzuhalten. »Du hast

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