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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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gerichtlichen Verfolgung entzogen habe; wenn sich im dortigen Gouvernement ein Mensch ohne Ausweispapiere und ohne Paß zeigen sollte, so möge man ihn unverzüglich anhalten. Diese beiden Schreiben riefen nun bei allen Beamten einen Zustand der Betäubung hervor. Die früheren Schlußfolgerungen und Mutmaßungen waren ganz über den Haufen gestoßen. Gewiß, man konnte in keiner Weise annehmen, daß sich irgend etwas hiervon auf Tschitschikow bezog; aber alle, ein jeder für sich, überlegten doch und erinnerten sich daran, daß sie noch nicht wußten, wer Tschitschikow eigentlich war, daß er selbst sich über seine eigene Person sehr unklar geäußert hatte; allerdings hatte er gesagt, er habe im Dienste für die Wahrheit gelitten; aber das war ja doch alles recht unklar. Und überdies erinnerten sie sich, daß er sogar geäußert hatte, er habe viele Feinde gehabt, die ihm nach dem Leben getrachtet hätten, und das machte sie noch nachdenklicher: also war sein Leben in Gefahr gewesen; also hatte man ihn verfolgt; also mußte er doch irgend etwas getan haben … Ja, wer war er denn nun schließlich? Natürlich konnte man nicht annehmen, daß er falsches Papiergeld fabriziere, und noch weniger, daß er ein Räuber sei; dazu hatte er doch ein zu vertrauenerweckendes Äußeres; aber bei alledem, wer war er denn nun eigentlich? Und siehe da, jetzt legten sich die Herren Beamten die Frage vor, die sie sich hätten gleich zu Anfang, d.h. im ersten Kapitel unserer Erzählung, vorlegen sollen. Man beschloß, noch einige Erkundigungen bei denjenigen einzuziehen, bei denen er tote Seelen gekauft hatte, um wenigstens in Erfahrung zu bringen, was es mit diesem Kaufe für eine Bewandtnis habe, und was eigentlich unter diesen toten Seelen zu verstehen sei, und ob er nicht vielleicht einem oder dem andern so zufällig und nebenbei etwas von seinen wirklichen Absichten mitgeteilt und dem einen oder dem andern gesagt habe, wer er sei. Zu allererst wandte man sich an Frau Korobotschka, aber aus ihr war nicht viel herauszuholen: er habe für fünfzehn Rubel gekauft und kaufe auch Hühnerfedern und habe ihr versprochen, ihr sonst noch alles mögliche abzukaufen; er liefere auch Speck an den Fiskus und sei daher wahrscheinlich ein Gauner; denn es sei schon einmal so einer dagewesen, der Hühnerfedern gekauft und Speck an den Fiskus geliefert habe, und der habe alle Leute betrogen und der Oberpopin einen Schaden von mehr als hundert Rubeln zugefügt. Alles, was sie weiter sagte, war fast nur eine Wiederholung dieser selben Angaben, und die Beamten ersahen weiter nichts, als daß Frau Korobotschka ein dummes altes Weib war. Manilow antwortete, er übernehme für Pawel Iwanowitsch jede Bürgschaft wie für sich selbst; er würde gern sein ganzes Gut hingeben, wenn er dafür den hundertsten Teil von Pawel Iwanowitschs guten Eigenschaften eintauschen könnte; überhaupt äußerte er sich über ihn in den schmeichelhaftesten Ausdrücken und fügte, die Augen zusammenkneifend, noch einige Gedanken über das Wesen der Freundschaft hinzu. Diese Gedanken zeigten allerdings hinlänglich, welcher zarten Regungen sein Herz fähig war, gaben aber den Beamten keine Aufklärung über den wahren Sachverhalt. Sobakewitsch antwortete, Tschitschikow sei seiner Ansicht nach ein braver Mensch; die Bauern, die er ihm verkauft habe, seien ganz exquisite Leute und in jeder Hinsicht lebendig; aber für das, was etwa in Zukunft geschehen werde, könne er nicht einstehen; wenn sie an den Strapazen der Übersiedlung unterwegs stürben, so sei das nicht seine Schuld; das stehe in Gottes Hand; was gebe es nicht auf der Welt alles für Fieber und andere tödliche Krankheiten; es sei schon vorgekommen, daß ganze Dörfer ausgestorben seien. Die Herren Beamten nahmen noch zu einem andern Mittel ihre Zuflucht, das zwar nicht sehr anständig ist, aber doch manchmal angewandt wird: sie ließen nämlich Tschitschikows Leute durch verschiedene mit ihnen bekannte Lakaien unterderhand ausforschen, ob sie nicht irgendwelche Einzelheiten über das frühere Leben und die Verhältnisse ihres Herrn wüßten; aber sie bekamen nicht viel zu hören. Petruschka sagte ihnen nichts, sondern umhüllte sie nur mit dem Geruche eines lange bewohnten, ungelüfteten Zimmers, und von Selifan hörten sie nur, Tschitschikow sei Staatsbeamter gewesen und habe eine Anstellung beim Zollwesen gehabt, weiter nichts. Diese Menschenklasse hat eine sehr sonderbare Gewohnheit. Wenn man so einen geradezu

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