Die Toten Vom Karst
suchte in ihrer Manteltasche nach dem Schlüssel zu Ugos Wohnung. Keinen würde sie hier hereinlassen. Nicht einmal die Polizei. Sie könnten oben reden, wenn es sein mußte. Dann löschte sie wieder das Licht und öffnete langsam die Tür.
Vor ihr stand ein großer Beamter, hinter ihm ein Kollege und dahinter, ein weiterer Mann, der von den Polizisten verdeckt war.
»Ist er das?« fragte Bruna. Ihr Herz pochte wie irrsinnig. Gleich würde sie sehen, wer es war, Mario oder Gubian.
»Haben Sie keine Angst! Er kann ihnen nichts mehr tun. Er trägt Handschellen.« Der Polizist trat einen Schritt zur Seite. »Kennen Sie diesen Mann.«
Bruna senkte den Blick und sah die Scherben grünen Glases auf dem Boden, sowie Hals und Boden einer Flasche in einer Pfütze gelblicher Flüssigkeit, die von den Schuhen der drei Männer über den ganzen Treppenabsatz verschmiert war.
»Signora. Kennen Sie diesen Mann?«
Langsam hob sie die Augen.
»Sie?« rief sie erschrocken. Es war der Grieche aus dem letzten Stock!
Ritsos schaute sie mit einem stark geröteten Auge an. Das andere war durch eine dicke Binde verdeckt. Er wankte. Seine Hände waren tatsächlich in Handschellen und er konnte sich nicht richtig am Geländer festhalten. Schwer prallte er dagegen und ging halb in die Knie.
»Kann man nicht einmal mehr in Ruhe nach Hause gehen?« lallte er.
Mit dem Griechen hatte sie nicht gerechnet. Hilflos schaute sie den Beamten an. »Nein«, sagte sie schüchtern. »Das ist er nicht. Der nicht.«
Putztag
Es war ein verfluchter Samstagmorgen, der 25. November, und die Sonne wollte nicht durch die tiefhängenden Wolken brechen. In der Nacht hatte es wieder zu regnen begonnen. Der Scirocco war abgeflaut und die Temperatur um einige Grad gefallen.
Laurenti tastete mit der Hand neben sich, aber das Bett war leer. Wahrscheinlich war sie im Bad und würde gleich zurück sein. Er döste gleich wieder ein.
Irgendwann hörte er den Lärm des Preßlufthammers, und der Seewind wehte Fischgeruch durch das gekippte Fenster. Proteo Laurenti kam langsam in die Wirklichkeit zurück. Wo war er? Er schaute sich um. Diese Wände kannte er. Das war nicht das Hotel, und das Bett war viel größer als jenes, das er sich mit Živa geteilt hatte. Aber der Fischgeruch war da. Er kniff die Augen zusammen, blinzelte, rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und war endlich wach. Das war sein Bett. Seines und Lauras Bett! Wie war er hergekommen? Was, um Gottes willen, war letzte Nacht passiert? Er schlug die Decke zurück und tapste ungelenk durch die Wohnung, schaute in alle Zimmer und ging dann ins Bad. Auf der Kloschüssel sitzend, die Ellbogen auf den Knien und den Kopf in die Handflächen gestützt, versuchte er das Puzzle des gestrigen Abends zusammenzusetzen.
Sie waren zurück nach Triest gefahren, als Damir den Laden schloß. Sie waren die letzten Gäste gewesen und Damir zeigte sich lange geduldig. Irgendwann hatte er ihnen ohne ein Wort die Rechnung auf den Tisch gelegt. Proteo bezahlte mit seiner Kreditkarte und lehnte ab, als Živa anbot, die Zeche zu teilen. Eine Stunde später waren sie in Triest. Betrunken und müde setzte er Živa am Hotel »Colombia« ab und fuhr nach Hause. Ohne sich die Zähne zu putzen, ließ er sich aufs Bett fallen und schlief sofort ein. Und der Fischgeruch? Er mußte von den Guati kommen, die die ganze Fahrt durch Istrien mitgemacht hatten und in der Plastiktüte neben seinem Bett lagen, halb verdeckt von seinen Kleidern. Oder kam er aus der Küche, wo noch immer sein Anzug lag? Hatte er wirklich alles nur geträumt? Proteo Laurenti fühlte sich zerschlagen wie nach einer zehnstündigen Flugreise, dabei hatten sie doch nur einen kleinen, anregenden Ausflug gemacht.
Vor dem Haus rissen Bauarbeiter der Gaswerke die Straße auf. Als Proteo Laurenti seinen Wagen suchte, fand er ihn nicht mehr. Dort, wo er glaubte, ihn in der Nacht abgestellt zu haben, schauten die Helme von zwei Männern aus der Baugrube. Er überlegte, wo der Wagen sonst stehen konnte, aber ein anderer Platz kam nicht in Frage. Zum ersten Mal seit langem hatte er einen Parkplatz direkt vor dem Haus gefunden, und jetzt? Die Welt war gegen ihn. Er ging zurück in die Wohnung und rief die Vigili Urbani an. Man sagte ihm, daß der Dienstwagen ins städtische Depot geschleppt worden war. Er schimpfte mit dem diensthabenden Beamten und beschwerte sich, daß man ihn nicht verständigt hatte. Bei der Überprüfung der Autonummer hätten sie doch leicht
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