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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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ihn ins Gefängnis zu werfen. Der Scirocco half ihnen, schnell von der Punta Salvore wegzukommen, und das Licht des Leuchtturms drang wegen des peitschenden Regens nicht weit aufs Meer hinaus. Die Jugoslawen, das erfuhr er nach Monaten, feierten später lautstark und mit reichlich Schnäpsen ihren Untergang, denn sie waren sicher, daß die drei es bei der schweren See auf keinen Fall geschafft haben konnten. Und da sollte er, Ugo Marasi, sich noch von irgend jemand Vorschriften machen oder gar drohen lassen?
    »Wart’s ab, Ugo. Du wirst schon sehen.« Mario drehte ihm den Rücken zu.
    »Nichts werde ich sehen, Eliana braucht Geld. Ich habe ihr alles gegeben, was ich flüssig hatte. Dreißig Millionen. Giulianos Anteil ist viel mehr wert. Wir können es ihr nur geben, wenn wir verkaufen.« Er trank sein Glas aus und warf ein paar Geldscheine auf die Theke.
    »Also meinst du wirklich, damit sei es getan.« Luca stellte sich ihm in den Weg.
    »Was ist sonst zu tun? Ich verkaufe.«
    »Wir reden heute abend drüber«, sagte Luca. »Komm um acht zu mir. Und jetzt geh.«
    Ugo war kurz davor, zu explodieren. »Ich geh, wann ich will, Luca, nicht wann du es mir sagst!« fauchte er böse. »Und jetzt laßt mich in Ruhe!«
     
    Bruna hörte ihn im Treppenhaus. Sie sprang vom Sessel auf, die Katzen wichen erschrocken zurück. Bruna eilte hinaus, sah Ugos Beine und Stiefel auf den letzten Stufen vor dem Treppenabsatz.
    »Ugo!« rief sie. »Warte! Bleib doch stehen!«
    Eine Hand auf dem Geländer, das linke Bein verharrte eine Stufe hinter dem rechten, drehte er nur unmerklich den Kopf.
    »Ugo, Gubian war da! Ich soll dir ausrichten, daß er wieder kommt.«
    Er ging langsam einen Schritt weiter.
    »Gubian hat gesagt, er will dich umbringen. Ugo, was ist los mit dir. Laß uns reden!«
    »Laß mich in Ruhe!« Er ging schnell die letzten Stufen hinauf.
    »Ugo, was hast Du? Sprich mit mir! Bitte!«
    Die Wohnungstür flog krachend hinter ihm ins Schloß.
    Bruna blieb unbeweglich auf der Treppe stehen. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Erst als der Grieche aus dem letzten Stock mit einer starken Alkoholfahne neben ihr stehen blieb, wandte sie sich um.
    »Nichts«, sagte sie. »Es ist gar nichts.« Sie ging zurück in ihre Wohnung und setzte sich in ihren abgewetzten Sessel.
    Nach einer Stunde hörte sie wieder Ugos Schritte und den obligaten Knall der Tür ein Stockwerk höher. Doch an diesem Abend hörte sie ihn nicht mehr zurückkommen. Wo mochte er sein? Bruna machte sich Sorgen. Die Katzen strichen um ihre Beine.

Totenmittwoch
    In Triest saßen die Leute zum Kaffeetrinken wieder auf den sonnigen, windgeschützten Plätzen. Der Schnee war schon gestern weggeschmolzen und die böse Überraschung, die die Bora nera gebracht hatte, vergessen. Auf dem Karst hingegen hielt sich die weiße Decke über den Feldern, und nachts gab es da oben Frost.
    Die Strada del Friuli war vollgeparkt, die kleine Straße zum Dorf hinauf ebenfalls und auch die Zufahrt aus Richtung Prosecco war versperrt. Proteo Laurenti und Antonio Sgubin fuhren mit dem Dienstwagen bis zum Kirchplatz hinauf und parkten das Auto hinter der rotweißen Absperrung, die die Polizei um die Trümmer von Gubians Haus gezogen hatte. Laurenti war um acht Uhr schon beim Questore gewesen, wo auch der Stellvertretende Staatsanwalt saß. Sie hatten ganz offensichtlich über ihn gesprochen, denn der Empfang war äußerst kühl. Der Polizeipräsident fragte ihn nach dem Stand der Ermittlungen. Als Laurenti einräumte, daß sie noch immer im Dunkeln tappten, plusterte sich der Stellvertretende Staatsanwalt auf und warf ihm vor, den Fall nicht größer aufgehängt zu haben. Es stimmte, es gab keine Kommission von fünfzig Polizisten, die sich in Konferenzen wichtig machten. Und es standen auch keine Uniformierten in Panzerwesten und mit MP im Anschlag an jeder Ecke, wie damals nach den Anschlägen auf die Ermittler in Sizilien. Aber es handelte sich in Contovello auch nicht um hohe Beamte, die Mafia-Killern zum Opfer gefallen waren. Außerdem arbeiteten sechsundzwanzig Beamte der Polizia di Stato an dem Fall, von der Spurensicherung bis zur Befragung der Einwohner und Ladeninhaber, und die Bombe war, wenn auch ohne nennenswerte Erkenntnisse, von den Spezialisten in Parma untersucht worden.
    »Es bringt niemandem etwas, wenn wir von Fortschritten sprechen, die es nicht gibt.« Laurenti wich vor dem Stellvertretenden Staatsanwalt nicht – und in Gegenwart des Questore erst recht nicht –

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