Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
wußte und gnadenlos Lauras Partei ergriffen hatte. Sonst hatte sie ihn immer überschwenglich gegrüßt. Und jetzt? Falsche Schlange! Es kam schon fast nicht mehr drauf an, denn ein paar Plätze weiter sah er plötzlich Rossana di Matteo, die bereits aufgestanden war, ihre Gesellschaft alleine ließ und zielstrebig auf ihn zu steuerte.
    »Proteo«, sagte Rossana zuckersüß, »ich dachte immer, du magst das ›Tommaseo‹ nicht. Aber das hängt wohl mehr von der Begleitung ab.« Sie umarmte ihn beinahe so, wie er es sich am Montag abend so dringlich gewünscht hätte. »Stellst du mich nicht vor?«
    »Živa Ravno, Staatsanwältin in Pola«, antwortete er gehorsam, obgleich er nicht die geringste Lust verspürte, daß Rossana nur eine Sekunde länger blieb. »Und das ist eine alte Freundin«, er wandte sich an die Ravno, »die beim ›Piccolo‹ den Lokalteil verantwortet.«
    »Sehr erfreut.« Die Staatsanwältin reichte ihr die Hand.
    »Das ist ja interessant. Gebt ihr den Kroaten jetzt Nachhilfeunterricht? Das mußt du mir unbedingt erzählen.« Rossana sparte nicht an Gift. Doch dann wechselte sie sofort den Tonfall, nachdem sie mit einem Blick überprüft hatte, daß die Ravno sie verstand. »Stell dir vor, Proteo, ich habe deine Nachricht Gott sei Dank noch rechtzeitig gehört und bin gleich nochmal in die Redaktion gefahren. Die Namen der Jungs sind nicht in dem Artikel. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen Druck der Anwalt der Chinesen gemacht hat. Aber mach dir keine Sorgen, es wird keinen Skandal geben. Ich konnte es gerade noch verhindern.«
    »Für was hat man Freunde«, stöhnte Proteo. Die Situation behagte ihm nicht. Er und Rossana standen, die Ravno saß am Tisch und der Kellner, der sich an ihnen vorbeidrängte, hatte alle Mühe, die Drinks nicht zu verschütten.
    »Du hättest mich wenigstens selbst über die andere Sache informieren können, Proteo. Ich meine den Toten an der Foiba von Monrupino. Statt dessen hat das wieder deine Dienststelle gemacht, und du warst nirgends zu kriegen. Manchmal habe ich den Eindruck, daß die Polizei nicht mit uns zusammenarbeiten will, sondern uns nur benutzt!«
    »Mein Gott, Rossana«, rechtfertigte sich Proteo. »Wenn du wüßtest, was das für ein Tag war! Nur Hektik, keine Sekunde blieb für etwas anderes! Natürlich hätte ich dich noch angerufen …«
    »Hast du was von deiner Frau gehört?« Jetzt kam also noch diese Nummer. »Kommt Laura bald zu dir zurück?«
    Proteo Laurenti war verlegen und ärgerte sich über Rossana.
    »Was zum Teufel soll dieses Getue, du alte Schlange«, fluchte er. »Darüber will ich jetzt nicht reden.«
    »Oh, verzeih! Ich wollte nicht stören! Wir können uns ja morgen auf einen Kaffee sehen, mein Lieber.« Und wieder umarmte sie ihn wie eine feurige Liebhaberin, während sie Živa Ravno ein kurzes, zweideutiges »Buona serata, Signorina!« zurief, als hätte sie eine Schülerin vor sich.
    Was war bloß in Rossana gefahren, fragte er sich, als er sich setzte. »Rossana ist eine alte Freundin der Familie«, stammelte er.
    »Lassen Sie nur«, sagte die Staatsanwältin mit einem Lächeln voller Wärme. »Gleich zwei Frauen, die auf Sie aufpassen wollen. Das spricht doch für Sie!«
    Proteo Laurenti war blaß wie sein blinder Namensvetter aus den Tiefen des Karsts. Er fühlte sich wie ein Primaner, der unvorbereitet in eine Religions-Klassenarbeit geraten war und keine Glaubensfrage richtig beantworten konnte. Und das gegenüber dieser schönen Frau.
    »Manchmal versteh ich Rossana einfach nicht! Da dreht sie völlig durch, wie gerade eben. Sie müssen doch weiß der Teufel was von mir denken.«
    »Ach, Unsinn«, widersprach Živa Ravno. »Ich habe so lange in München gelebt. Die Stadt ist mindestens so überschaubar wie Triest. Da traf man sich auch immer in den gleichen Restaurants und Bars. Eine Umarmung oder ein Küßchen zuviel, schon wußte es die ganze Szene und machte sich unnötige Gedanken.« Sie hatte ihn kurz am Unterarm berührt, Proteo Laurenti zuckte zusammen.
    Sie sprachen über München und über Galvano, über das Essen und die Polizei, über die Kunst zu leben und über den Sommer.
    Proteo schielte kaum noch zu den beiden Feindestischen hinüber, von denen aus er erbarmungslos im Visier gehalten wurde. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als die beste Freundin seiner Ehefrau demonstrativ grußlos an seinem Tisch vorbeirauschte, und auch nicht, als Rossana mit ihrer Gesellschaft aufbrach und

Weitere Kostenlose Bücher