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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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wohl weggelaufen«, murmelt sie benommen. Inka schreit: »Ich war doch nur eine halbe Stunde weg!« Das Mädchen ist völlig außer sich. Selbst der große Bruder des Kindes versucht, sie zu beruhigen. »Der ist bloß weggelaufen. Wir werden ihn schon finden.«
    Vom Rettungsturm her ertönt eine Durchsage mit der Beschreibung des gesuchten Jungen. Seine Eltern sind eingetroffen und befragen hektisch die Menschen am Strand. Sie selbst kann dem verzweifelten Vater nur sagen, dass sie eingeschlafen war und nichts bemerkt hat, was dieser mit einem bitterbösen Blick beantwortet. Er hat wohl ihre Bierfahne gerochen. Nun zieht sie sich beleidigt an und geht nach Hause, in der Gewissheit, dass der Junge sicher bald gefunden sein wird.
    Christine Jahn stöhnt im Schlaf, als ihr jemand ein Glas an den Mund setzt und Schnaps einflößt, in dem Schlaftabletten aufgelöst sind.
    Freitag, 14. Dezember
    Berta geht um das Haus herum, nachdem sie immer wieder geklingelt hat. Schon zum zweiten Mal ist die alte Frau hier. Es beunruhigt sie, dass Christine Jahn anscheinend immer noch nicht zu Hause ist. Die Witwe wirkt seltsam in letzter Zeit, anscheinend wird sie mit dem Tod ihres Mannes überhaupt nicht fertig. Außerdem trinkt sie zu viel.
    Die vollschlanke Alte kommt gar nicht auf die Idee, dass sie sich ungebeten in fremde Angelegenheiten einmischt. Sie drückt ihr Gesicht dicht an das Fenster und späht hinein. Die Küche ist leer und sieht aufgeräumt aus. Die Gardine vor der Terrassentür ist nicht ganz zugezogen. Durch einen Spalt sieht sie in das Zimmer. Es wirkt irgendwie kahl. Hing da nicht ein Bild an der Wand? Dann entdeckt sie Christine auf der Couch. Sie klopft heftig und ruft. Drinnen bewegt sich nichts.
    Berta gerät in Panik. Sie wühlt in ihrer Tasche, natürlich hat sie das Handy wieder zu Hause vergessen. Hastig läuft sie zum Nachbarhaus und klingelt Sturm.
    Â»Schnell«, ruft sie, als geöffnet wird. »Rufen Sie die Polizei, die müssen die Tür aufbrechen. Und einen Krankenwagen!«
    Die Frau im Eingang wirft nur einen kurzen Blick auf das Nachbarhaus und nickt eifrig. Ihr ist schon lange klar, dass da drüben etwas nicht stimmt.
    Eine halbe Stunde später ist Christine Jahn auf dem Weg ins Krankenhaus. »Sie wird es schaffen, aber viel später hätten Sie nicht kommen dürfen«, hat der Notarzt zu Berta gesagt.
    Für den Mediziner schien alles klar zu sein. Eine leere Packung Schlaftabletten lag noch auf dem Tisch, neben der Schnapsflasche und dem ebenfalls leeren Glas. Doch Berta steht nachdenklich in der Küche und sieht hinaus zur Straße. Sie wartet auf den Schlüsseldienst, der soll ein neues Schloss einbauen. Die Polizei hat die Tür aufgebrochen. Danach haben sie Spuren aufgenommen und die Nachbarn befragt. Der Kriminalhauptkommissar war heute nicht dabei, auch nicht Fred Müller. Schade, vielleicht hätten die etwas gründlicher gesucht. Allmählich müssten doch auch sie so etwas wie eine Serie erkennen.
    Langsam geht Berta ins Wohnzimmer und sieht sich um. Sie bemerkt die Lücken im Bücherregal und in der Glasvitrine, den fehlenden Teppich. Die Pflanzen könnten vertrocknet sein, vielleicht hat Christine Jahn sie einfach vergessen in ihrem Kummer. Aber wo ist das Bild? Berta erinnert sich wieder an das Gemälde, das über der Couch hing. Weder auf den Möbeln noch auf dem Boden liegt Staub, alles scheint frisch geputzt zu sein.
    Sie überlegt einen Moment, dann geht sie hinaus und sieht in die Mülltonne. Die ist fast randvoll, obenauf liegen Scherben von feinem, dünnem Porzellan und Kristallgläsern und Blätter von Zimmerpflanzen. Nicht vertrocknet, sondern gewaltsam zerstört.
    â€ºWas mag in der Frau vorgegangen sein?‹, überlegt Berta. War sie wirklich so verzweifelt, dass sie ihre eigene Wohnung verwüstet hat? Aber sie wirkte doch ganz ruhig, als sie sich das letzte Mal getroffen haben. Es ist schwer, sich in eine Frau hineinzuversetzen, die gerade ihren Mann verloren hat. Aber irgendwie passt das alles nicht zu ihrem Eindruck von Christine, weder die Zerstörungen noch der Selbstmordversuch. Es sei denn – Berta erwägt die Möglichkeit, dass Christine Jahn selbst ihren Mann von der Steilküste hinabgestoßen hat und nun mit ihren Gewissensbissen nicht fertig wird. Vielleicht sind es ja doch alles Zufälle und lediglich Manfred Jahn ist von

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