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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho
Autoren: Colin Dexter
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in die Squitchey Lane zu kommen. Seine Eile erwies sich als völlig überflüssig. Mrs Raven traktierte ihn mit einem ermüdend ausführlichen Bericht, der ihm jedoch nicht einen Schritt weiterhalf. Mr Parkes in der Woodstock Road, dem sein nächster Besuch galt, faßte sich wenigstens kurz, hatte aber auch nichts Wichtiges zu sagen. Nun, da konnte man nichts machen.
    Walters hatte an diesem Tag einfach Pech gehabt. Doch alle Polizeiarbeit braucht, um Erfolg zu haben, auch ein bißchen Glück; selbst Beamte mit mehr Grips und Kombinationsvermögen als Walters sind darauf angewiesen, daß ihnen ab und zu Kommissar Zufall auf die Sprünge hilft. Trotzdem war, was Walters herausgefunden hatte, gar nicht einmal wenig. Während er jetzt zu Hause in Kidlington neben seiner Frau im Bett lag, ging er in Gedanken alles noch einmal durch. In einem Punkt gab er Bell völlig recht: Anne Scott hatte Selbstmord begangen. Auch wenn die Gründe dafür noch im dunkeln lagen – an dieser Tatsache war nicht zu rütteln. Aber das war auch schon fast das einzige, was klar war. Ansonsten gab es jede Menge offener Fragen. Da war zum Beispiel der Bridgeabend (Abend war gut!). Er war gegen 2.45 Uhr zu Ende gewesen, und anschließend hatte Anne Scott den Heimweg angetreten. Aber wie? Hatte sie einer von den anderen Spielern nach Hause gefahren? Hatte sie sich ein Taxi kommen lassen? Oder hatte sie ein Fahrrad dabeigehabt? (Er hätte diese Schreckschraube Briggs danach fragen sollen!) In den Stunden danach war dann die Entscheidung gefallen. Es hatte kein langes Zögern mehr gegeben; der Zeitpunkt ihres Todes war nicht ganz exakt feststellbar gewesen, aber der Autopsiebericht ging davon aus, daß sie, als man sie fand, bereits seit mindestens zehn Stunden tot war, was bedeutete … ja, was eigentlich? Walters war sich da nicht ganz sicher. Etwas unvermittelt fiel ihm plötzlich wieder die offene Haustür ein. Wieso hatte sie nicht abgeschlossen? Hatte sie es einfach vergessen? Unwahrscheinlich. Oder hatte da jemand anderer aufgeschlossen? Später. Das würde voraussetzen, daß Anne Scott den Schlüssel nach dem Abschließen nicht hatte steckenlassen. So abwegig war das gar nicht mal. Er selbst zog abends auch immer den Schlüssel ab und legte ihn in den Flur auf das Tischchen mit dem Telefon. Er hätte nicht sagen können warum. Es war einfach eine Angewohnheit. Drei Schlüssel … drei Schlüssel … vielleicht sogar vier … Mit einem von ihnen war aufgeschlossen worden. Und wenn nicht von Anne Scott und nicht von Mrs Purvis, von wem dann? Jackson? Wäre es nicht vorstellbar, daß er den Schlüssel, den er noch besaß, benutzt hatte, um sich Zutritt zu verschaffen, daß er drinnen nach ihr gerufen, und nachdem er keine Antwort erhalten hatte, nach hinten durchgegangen war? Das würde auch die Sache mit dem Schemel erklären! Jackson hatte gegen die Küchentür gedrückt (er würde ja gewußt haben, daß man etwas Kraft dazu brauchte, sie zu öffnen) und dabei den Schemel umgestoßen. Dann war er hineingegangen, hatte den umgefallenen Schemel aufgehoben, und als er sich umdrehte, hatte er sie entdeckt. Aber wenn es so gewesen war, warum hatte er dann nicht sofort die Polizei informiert? Anne Scott hatte Telefon, er hätte gleich von ihrem Haus aus anrufen können. Oder hatte er Angst gehabt, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen? Vielleicht weil er kein ganz reines Gewissen hatte? Weil er die Gelegenheit genutzt und irgend etwas an sich genommen hatte? Geld möglicherweise oder etwas anderes, das er für wertvoll oder nützlich hielt? Das alles war zugegebenermaßen noch sehr spekulativ, aber so oder so ähnlich konnte es gewesen sein. Wenn sich das Rätselraten doch nur auf Jackson beschränken würde! Aber da war ja auch noch Morse. Es mußte Morse gewesen sein, den Jackson am Nachmittag gesehen hatte. Was um Himmels willen hatte er dort gewollt? Hatte er bei ihr Deutschunterricht genommen? Walters rief sich die Fragen ins Gedächtnis zurück, die der Chief Inspector ihm am Mittwochabend, nach seinem überraschenden Auftauchen gestellt hatte. Diese merkwürdig zögernden und gleichzeitig so eindringlichen Fragen! Er hatte den Ton noch im Ohr. »Ist sie – ist sie tot?« Moment mal, wieso hatte er überhaupt wissen können …? Vielleicht, daß ihm die Polizisten draußen …? Nein, das war nicht möglich. Die waren zu dieser Zeit ja noch gar nicht darüber informiert worden, wen man da gefunden hatte. Walters fuhr plötzlich in die
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