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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wenigsten erwarten. Außerdem glaubte er, dass die anderen sich ebenfalls draufstürzen würden, wenn sie erst mal das Blut gesehen hatten. Nach Rafaels Ansicht war dies der Anfang vom Ende des amerikanischen Imperiums.«
    »Ich bin erstaunt, dass Sie sich seine Thesen angehört haben«, sagte Falcón. »Ihre Frau hat mehrfach betont, dass Sie Amerika für die größte Nation der Erde halten.«
    »Seine Ansichten haben in mir nicht den Wunsch geweckt, ihn zu töten, falls Sie das andeuten wollen, Inspector Jefe«, sagte Marty und musterte ihn aus dem Schatten seiner Augenbrauen. »Sie müssen nur die Geschichte betrachten. Rafael meinte, dass Amerika wie andere Imperien zuvor zurückschlagen würde. Zwangsläufig. Aber entweder würden die Amerikaner auf der Jagd nach einem Feind wild um sich schlagen, der wegen seiner Winzigkeit unsichtbar war, oder sie würden mit maßloser Kraft und teuer erkaufter Macht den falschen Feind niederringen. Das würde zu einer allmählichen Schwächung und nachfolgendem wirtschaftlichem Niedergang führen. In diesem Punkt irrte er meiner Meinung nach, weil das Einzige, worauf die Amerikaner immer geachtet haben, der Dollar ist. Sie würden nie zulassen, dass er durch irgendetwas gefährdet wird.«
    »Diese Diskussionen zogen sich ziemlich lange hin, bis zum Morgengrauen, sagt Ihre Frau.«
    »Je leerer die Weinbrandflasche und je aufgeweichter das Ende von Rafaels Zigarre, desto wilder seine Theorien«, sagte Marty. »Er glaubte, dass das amerikanische Imperium enden würde, nicht zu unseren Lebzeiten, aber noch vor Ende dieses Jahrhunderts. Danach würden entweder die Chinesen übernehmen und der Welt eine noch räuberischere Form des Kapitalismus aufzwingen, oder es würde eine Gegenreaktion gegen die kapitalistische Form der Dekadenz geben. In diesem Fall würde ein religiöses Imperium entstehen, das sich aus den bevölkerungsreichsten Nationen zusammensetzen würde– und nicht aus unseren sterbenden Nationen von Rentnern –, und es würde islamisch sein.«
    »Mein Gott«, sagte Falcón.
    »Allah ist groß, meinen Sie, Inspector Jefe«, erwiderte Marty.
    »Auf den Fotos Ihrer Frau haben wir gesehen, dass Señor Vega seit Ende des letzten Jahres eine Krise durchmachte, was auch sein Arzt bestätigt hat. Haben sich Ihre Gespräche seit dieser Zeit ebenfalls verändert?«
    »Er hat mehr getrunken«, sagte Marty. »Manchmal war er minutenlang weggetreten. Ich weiß noch, wie ich ihn einmal zudecken wollte, und als ich vor seinem Stuhl stand, öffnete er die Augen und sah sehr verängstigt aus. Er fing an zu flehen wie ein Gefangener, der nicht in die Folterkammer gebracht werden will, bis ihm einfiel, wer ich war und wo er sich befand.«
    »Señor Ortega erwähnte, dass Señor Vega von der amerikanischen Vorstellung von Loyalität offenbar sehr enttäuscht war«, sagte Falcón, »weil Amerikaner nur so lange Freunde seien, wie sie Verwendung für einen hatten. Wissen Sie, woher das kam?«
    »Aus dem Geschäftsleben. Nehme ich an. Er hat nie über Details gesprochen. Ehre war ihm sehr wichtig. Er schien einem strengen Kodex zu folgen, der gemessen an modernen Standards ziemlich altmodisch war. Er war entsetzt über den pragmatischeren amerikanischen Glauben, dass Ehre in Ordnung ist, bis man anfängt, Miese zu machen.«
    »Er wäre kein so erfolgreicher Geschäftsmann gewesen, wenn er in Geldsachen nicht eine etwas lockerere Moral gehabt hätte. Selbst seine Heirat hatte wirtschaftliche Aspekte. Sein Kodex verpflichtete ihn, seine Frau wegen ihres Geisteszustands nicht zu verlassen, war jedoch dehnbar genug, sie überhaupt nur zu heiraten, um an die Grundstücke zu kommen. Seine Enttäuschung über die mangelnde amerikanische Loyalität scheint sich also auf etwas anderes, etwas Persönliches bezogen zu haben.«
    »Was war es dann?«, fragte Marty. »Sagen Sie’s mir.«
    Falcón blätterte in seinem Notizblock.
    »Pablo Ortega hat berichtet, Vega hätte über die Amerikaner gesagt: ›Sobald man aufhört, Informationen zu liefern oder Geld für sie zu verdienen, lassen sie einen fallen wie eine heiße Kartoffel‹.«
    »Nun, das klingt seltsam, nach Industriespionage oder so. Geld. Informationen. Wenn er dabei mitgemacht hat, weiß ich allerdings nicht, wo er dort ehrenhaftes Verhalten erwartet hat.«
    »Oder ging es um Politik?«, fragte Falcón. »Ihre Gespräche waren doch überwiegend politisch.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik irgendeinen Einfluss auf seinen

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