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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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um ein Verbrechen zu verschleiern, das weit finsterer war als die mögliche Ermordung des Bauunternehmers?
    Falcón erinnerte sich an seine erfolglosen Bemühungen, Ignacio Ortega zu erreichen, und unternahm einen weiteren Versuch. Ortegas Handy war nach wie vor ausgeschaltet, und auch unter den anderen Nummern aus Pablos Adressbuch meldete sich niemand. Er blätterte in seinem Notizbuch und überflog die Liste von Dingen, die er für den Vormittag geplant hatte, bevor er durch Pablo Ortegas Selbstmord abgelenkt worden war. Darunter auch die Befragung von Marty Krugman.
    Krugman befand sich im Büro von Vega Construcciones in der Avenida de la República de Argentinia, wo er auf dem Firmencomputer gerade einige Zeichnungen fertig stellte. Er sagte, er würde sich jederzeit gerne mit Falcón unterhalten und die Concierge anweisen, ihn hereinzulassen. Während er redete, notierte sich Falcón drei Themen für sein Gespräch mit dem Amerikaner – 11. September, Russen, Ehefrau.
    Der Eingang zu Vega Construcciones lag zwischen zwei großen Immobilienagenturen, die im Fenster Vega-Projekte ausstellten. Die Concierge ließ Falcón herein und schickte ihn direkt nach oben in Marty Krugmans Büro.
    Marty trug rote Basketballschuhe und hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt. Sie gaben sich die Hand.
    »Maddy hat mir erzählt, dass Sie sich gestern über Reza Sangari unterhalten haben«, sagte Marty.
    »Das ist richtig«, antwortete Falcón und erkannte, dass Marty ihn an einem Samstagabend so bereitwillig empfangen hatte, weil er wütend auf ihn war.
    »Sie hat gesagt, Sie hätten außerdem angedeutet, dass sie möglicherweise eine Affäre mit Rafael hatte.«
    »Diese Fragen müssen gestellt werden«, erwiderte Falcón. »Ich habe nur überlegt, ob Ihre Frau irgendeinen Einfluss auf Señor Vegas Geisteszustand hatte.«
    »Das war eine alberne Frage, die ich Ihnen übel nehme«, sagte Marty. »Sie haben keine Ahnung, was wir wegen Reza Sangari durchgemacht haben.«
    »Das stimmt…, und deswegen musste ich die Frage stellen«, sagte Falcón. »Ich weiß nichts über Sie. Aber ich muss mir ein umfassendes Bild machen, und Sie sind verständlicherweise zurückhaltend, was gewisse dramatische Ereignisse in Ihrem Leben betrifft.«
    »Und sind Sie jetzt zufrieden?«, lenkte Marty ein.
    »Für den Augenblick… ja.«
    Marty wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    »Ihre Frau hat mir erzählt, dass Sie eine durchaus enge Beziehung zu Señor Vega hatten«, sagte Falcón.
    »Intellektuell, ja«, sagte Marty. »Sie wissen doch, wie das ist. Es macht keinen Spaß, mit jemandem zu reden, der allem zustimmt, was man sagt.«
    »Ihre Frau meinte, Sie wären sich überraschend einig gewesen.«
    »Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich jemals einer Meinung mit einem Mann sein könnte, der fand, dass Francos Umgang mit den Kommunisten richtig war – alle zu verhaften und zu erschießen.«
    »Und worüber waren Sie sich einig?«
    »Wir hatten die gleichen Ansichten über das amerikanische Imperium.«
    »Ich wusste bisher nicht, dass es eines gibt.«
    »Es nennt sich die Welt«, sagte Marty. »Wir machen uns nicht die ganze beschissene, Zeit raubende und kostspielige Mühe, andere Länder im herkömmlichen Sinne zu kolonialisieren. Wir… globalisieren einfach.«
    »Was den Zettel mit dem Hinweis auf den 11. September betrifft, den Señor Vega in der Hand hatte«, sagte Falcón, bevor Marty zu einem Vortrag anheben konnte. »Pablo Ortega hat mir erzählt, dass Señor Vega der Meinung war, Amerika hätte die Ereignisse vom 11. September verdient.«
    »Darüber hatten wir heftige Meinungsverschiedenheiten«, sagte Marty. »Es ist eines der wenigen Themen, bei denen ich richtig emotional werde. Zwei Freunde von mir haben für Cantor Fitzgerald gearbeitet, und wie viele Amerikaner und vor allem multikulturelle New Yorker habe ich nicht verstanden, warum sie und die anderen dreitausend Menschen sterben mussten.«
    »Aber warum hat er das Ihrer Ansicht nach geglaubt?«
    »Das amerikanische Imperium ist wie jedes andere. Wir glauben, wir wären nicht bloß deshalb so mächtig geworden, weil wir zum richtigen Zeitpunkt der Geschichte über die notwendigen Ressourcen verfügt haben, um den einzigen anderen Gegner zu besiegen, sondern weil wir im Recht sind . Wir haben eine ganze Weltanschauung zerstört, nicht mit einer Atombombe, sondern durch die abstrakte Brutalität der Zahlen. Wir haben der Sowjetunion unser Spiel aufgezwungen und sie

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