Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
sind beides keine perfekten Organisationen. Ich stelle mir vor, dass nur sehr wenige Leute eingeweiht sind. Die haben alle Hände voll zu tun mit dem Krieg gegen den Terrorismus. Dies ist ein Nebenschauplatz, eine kleine Sache, möglicherweise privater Natur.«
Falcón ging zum Telefon und wählte.
»Ich werde noch einmal mit Marty Krugman sprechen«, sagte er. »Diesmal werde ich ihn anders anpacken.«
»Aber Sie wissen doch noch gar nichts.«
»Das ist mir klar, aber ich habe keine Zeit.«
Die Tatsache, dass Krugman weder in seinem Büro noch zu Hause war und auch sein Handy abgeschaltet hatte, rettete Falcón. Er knallte den Hörer auf die Gabel. »Krugman hat eine Schwäche«, sagte er. »Seine Frau ist sehr schön und sehr viel jünger als er.«
»Und er ist ein eifersüchtiger Mann?«
»Ja, das ist sein Schwachpunkt«, sagte Falcón.
»Das alles wird sich in Rauch auflösen, wenn Sie keine positive Identifizierung durch das FBI kriegen«, sagte Guzmán. »Also unternehmen Sie bis dahin nichts. Wenn Sie glauben, dass es hilft, kann ich mich in der Zwischenzeit in der chilenischen Exilgemeinde hier und in England nach der Zeile auf Vegas Zettel erkundigen. Und wenn Sie eine positive Identifizierung bekommen und Vega tatsächlich chilenischer Militär oder DINA-Offizier war, stehe ich in Kontakt mit Leuten, die Ihnen helfen können, ein Profil zu erstellen.
Außerdem werde ich einen Artikel über Montes und den ersten Selbstmord eines leitenden Beamten in der Jefatura schreiben. Es wird ein Nachruf sein, der noch einmal die Höhepunkte seiner Karriere erwähnt, darunter den Carvajal-Skandal. Ich werde betonen, dass Sie Montes’ Laufbahn im Rahmen Ihrer Ermittlung intensiv durchleuchten.«
»Und was haben wir davon?«
»Warten Sie ab. Es wird alle möglichen Leute aus ihren Löchern treiben und sehr nervös machen, vor allem die, die bei Carvajals ›Unfall‹ die Augen zugedrückt haben«, sagte Guzmán. »Es wird interessant sein zu sehen, wie von oben Druck auf Sie ausgeübt wird. Wenn Comisario Lobo Sie nicht unmittelbar nach Erscheinen des Diario de Sevilla in sein Büro ruft, lade ich Sie zum Mittagessen ein.«
»Nur die Fakten«, sagte Falcón mit einem mulmigen Gefühl.
»Das ist ja das Schöne. Alles, was ich über Montes schreibe, wird bereits öffentlich bekannt sein. Spekulationen sind gar nicht nötig. Allein die Auflistung der Tatsachen wird die Leute zu Tode erschrecken.«
DREIUNDZWANZIG
E s war schon nach drei, und Falcón hatte Hunger. Ramírez verabschiedete sich in die Mittagspause und berichtete vorher noch, dass Ferrera mit Salvador Ortega im Verhörraum 4 wartete und dass Elvira sich gemeldet hatte, um die Zustimmung des Gefängnisdirektors zu einer umfassenden psychologischen Untersuchung von Sebastián Ortega durch Alicia Aguado mitzuteilen.
»Außerdem habe ich gerade bei Juez Calderón angerufen«, sagte er. »Ich dachte, wir erinnern ihn besser noch einmal an den Durchsuchungsbefehl für das Schließfach. Er ist weg, vom Erdboden verschluckt, wird nicht zurückerwartet und hat sich einen Scheißdreck um den Durchsuchungsbefehl gekümmert. Buen provecho – Guten Appetit…«
Auf dem Weg zum Verhörzimmer rief Falcón den Gefängnisdirektor an, um einen Termin zu vereinbaren. Seine Sekretärin erklärte, dass man jederzeit mit der Untersuchung beginnen könnte, vorzugsweise zwischen 18 und 21 Uhr. Während er durch die Scheibe in der Tür Salvador Ortegas verlebtes Gesicht musterte, rief er Alicia Aguado an und verabredete mit ihr, dass er sie um 18.30 Uhr abholen würde. Danach rief er erneut im Gefängnis an, um ihren Besuch für 19 Uhr anzukündigen. Es würde ein langer Tag werden. Cristina Ferrera kam heraus und berichtete, dass sie sich in der Umgebung von Nadjas Wohnhaus umgehört hatte, während der Beamte des Drogendezernats Salvador gesucht hatte. Niemand hatte etwas gesehen. Sogar die Menschen, die beobachtet hatten, wie sie abgeholt worden war, erinnerten sich nun an nichts mehr. Er holte drei Becher Kaffee aus dem Automaten.
Salvador Ortega betrachtete rauchend seine gelben Finger, bevor er flüchtigen Augenkontakt mit der neben ihm sitzenden Cristina Ferrera suchte. Er hatte wirres langes Haar und einen strähnigen Vollbart, der sein gutes Aussehen verdeckte. Sein T-Shirt war so ausgebleicht, dass man nur noch einen Hauch von Farbe und den Schriftzug »Megadeath« erkennen konnte. Er trug lange Shorts, und seine Waden und Schienbeine waren zerkratzt und
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