Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
werden.«
»Und wo bleibt dabei Ihre Theorie über Carvajal, die Russen und Montes?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sind offenbar der Ansicht, dass Montes auf Druck reagiert hat, den Sie durch die Erwähnung von Carvajal und den Russen Iwanov und Zelenov unbewusst auf ihn ausgeübt haben. War das genug, um ihn in den Abgrund zu stoßen? Oder sah er die Namen im Zusammenhang mit der Vega-Ermittlung, und das ließ ihn glauben, Sie wären auf irgendeiner Spur?«
»Wir müssen warten, bis wir eine Antwort vom FBI kriegen. Wenn er ein Strafregister hatte, ergeben sich daraus vielleicht relevante Hinweise für uns.«
»Falls er Chilene ist, klingt er für mich wie ein unzufriedener Pinochet-Anhänger«, sagte Guzmán. »Und davon gibt es jede Menge in den Reihen der Patria y Libertad – der ultra-rechten Organisation, deren Mitglieder Allende vom Moment seines Wahlsiegs an um jeden Preis destabilisieren wollten. Einige von ihnen haben vor, während und nach dem Putsch ziemlich üble Dinge getan – die Entführungen und Hinrichtungen im Ausland im Rahmen der Operation Condor, die Morde und Folterungen zu Hause, die Autobombe in Washington – und haben dann geglaubt, den Vormarsch des Kommunismus in Amerikas Hinterhof aufgehalten zu haben, und fanden, dass sie dafür ordentlich belohnt werden sollten. Aber Sie sagten, er hätte Material über internationale Rechtsprechung und Garzón gesammelt. Das klingt, als habe er beichten wollen.«
»Ich glaube, dass er etwas Größeres im Sinn hatte als eine Beichte«, sagte Falcón. »Vielleicht eher den Zeugenstand eines großen Gerichts. Im vergangenen Jahr scheint irgendetwas mit ihm passiert zu sein, etwas Persönliches, was ihn möglicherweise verändert hat. Er litt unter Panikattacken…«
»Nun, das hat seine Urteilskraft womöglich getrübt. Die Beteiligten halten sich immer für wichtiger, als sie in Wirklichkeit waren«, sagte Guzmán. »Oberst Manuel Contreras, der Ex-Chef der DINA – der chilenischen Geheimpolizei – sitzt jetzt im Gefängnis, aufs Feinste verraten von Pinochet, und was ist geschehen? 1999 hat die Clinton-Regierung Unterlagen freigegeben, und was ist passiert? 2000 hat die CIA selbst weiteres Material veröffentlicht, und was ist passiert? Sind die Täter bestraft worden? Nein. Nichts ist passiert. Das ist der Lauf der Welt.«
»Aber was hätte geschehen können? Wer ist noch übrig? Wen könnte man zur Rechenschaft ziehen?«
»Es gibt ein paar CIA-Leute, die noch im Dunkeln schwitzen, und natürlich meinen alten Freund, den Fürst der Finsternis – Dr. K. höchstpersönlich. Er war während der ganzen Zeit Nixons Sicherheitsberater und Außenminister. In Chile ist nichts ohne sein Wissen geschehen. Wenn irgendjemand zur Verantwortung gezogen werden sollte, dann er.«
»Nun, wenn man ihn vor Gericht bringen könnte, würde man in die Geschichte eingehen«, sagte Falcón. »Und falls Vega das vorhatte, muss es eine Menge Leute gegeben haben, die ihn umbringen wollten.«
»Falls die CIA entschieden hatte, dass er ihnen gefährlich werden könnte, hätten sie meiner Erfahrung nach versucht, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen; in dem Fall haben sie das Ganze dann komplett vermasselt«, sagte Guzmán. »Wissen Sie etwas über den Hintergrund dieser amerikanischen Nachbarn?«
»Er ist Architekt und arbeitet für Vega, sie ist Fotografin. Ihre Fotos haben uns einen Einblick in Vegas persönliche Krise gegeben. Das ist ihre Spezialität.«
»Nun das wäre eine ziemlich gute Tarnung, wenn man über irgendwen Informationen beschaffen soll«, meinte Guzmán.
»Ihre Biografie wirkt absolut authentisch«, sagte Falcón. »Sie waren in den USA sogar einmal Verdächtige in einer Mordermittlung. Der Liebhaber der Frau ist umgebracht worden, aber es wurde keine Anklage erhoben.«
»Selbst wenn sie echt sind, klingen sie irgendwie nicht koscher«, sagte Guzmán. »Aber das ist vermutlich die perfekte Tarnung. Schließlich haben wir alle ein dunkles Geheimnis.«
Falcón stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen. Der Fall wurde stündlich komplizierter, und er hatte keine Zeit, hatte nie genug Zeit.
»Wenn es tatsächlich eine Geheimdienstoperation ist«, sagte er, »und die Krugmans zur Mitarbeit gezwungen worden sind, muss es ein Einverständnis zwischen CIA und FBI geben. Und wir fragen das FBI jetzt nach Informationen über Rafael Vega.«
»Zunächst einmal können Sie gar nichts anderes machen«, sagte Guzmán. »Und außerdem
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