Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
kreuzen, Javier. Sie ist der Typ, der nur lächelt, wenn sie die Eier eines Mannes im Schraubstock hat.«
»Sie hatten Meinungsverschiedenheiten?«
»Nein, nein. Ich kenne bloß den Typ.«
»Und welcher Typ wäre das?«, fragte Falcón, der der Versuchung nicht widerstehen konnte.
»Der Typ Frau, der Männer nicht mag, aber leider nicht lesbisch ist und feststellt, dass man zur Befriedigung seiner erniedrigenden sexuellen Bedürfnisse doch zu den Männern gehen muss, was sie in einem Dauerzustand wütenden Widerwillens zurücklässt.«
Falcón kaute an seinem Stift, um sein Lächeln zu kaschieren. Es hörte sich an, als hätte der große Pablo Ortega seine herausragenden Dienste angeboten und wäre abgewiesen worden.
»Sie mag Kinder«, sagte Ortega. »Sie hat es gern, wenn kleine Jungen um ihre Beine wuseln. Je mehr, desto besser. Doch sobald ihnen Haare sprießen…«
Ortega hatte ein Büschel seines weißen Brusthaars gepackt und warf verächtlich den Kopf in den Nacken, eine perfekte Pantomime männlicher Dummheit und weiblichen Stolzes in einem Körper. Falcón lachte, und Ortega suhlte sich im Applaus seines kleinen Publikums.
»Kennen Sie die beste Methode, Frauen aufzureißen?«, fragte er, goss sein Glas mit Cruzcampo voll und hielt Falcón die Flasche hin. Der lehnte dankend ab.
»Hunde.«
»Sie haben Hunde?«
»Ich habe zwei Möpse. Ein großes stämmiges Männchen namens Pavarotti und ein kleineres Weibchen mit dunklerem Gesicht, das Callas heißt.«
»Singen sie auch?«
»Nein, sie scheißen nur den ganzen Garten voll.«
»Wo halten Sie sie?«
»Nicht hier, wo Teile meiner Sammlung den Fußboden schmücken. Sie würden ihr Bein an einem Meisterwerk heben, und ich könnte etwas Unverzeihliches tun.«
»Ihre Sammlung?«
»Sie glauben doch nicht, dass ich ständig in einem solchen Durcheinander lebe? Als der Riss in der Jauchegrube aufgetreten ist, musste ich meine Sammlung in Sicherheit bringen«, sagte Ortega. »Wie dem auch sei, lassen Sie mich den Gedanken mit den Hunden zu Ende bringen. Möpse sind eine perfekte Methode, um ein Gespräch mit einer einsamen Frau anzuknüpfen. Sie sind klein, unbedrohlich, ein bisschen hässlich und amüsant. Bei Frauen und Kindern wirken sie immer. Kinder können ihnen einfach nicht widerstehen.«
»Haben Sie so Consuelo Jiménez kennen gelernt?«
» Und Lucía Vega«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
»Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst… ich hätte mich deutlicher ausdrücken sollen… Señora Vega ist ermordet worden.«
»Ermordet?«, rief er, sprang auf und verschüttete dabei das Bier in seinen Schoß.
»Sie wurde mit ihrem Kopfkissen erstickt.«
»Sie meinen, er hat erst sie und dann sich selbst umgebracht? Und was ist mit dem Jungen?«
»Er war zu dem Zeitpunkt bei Señora Jiménez.«
»Mein Gott… das ist eine Tragödie«, sagte er, trat ans Fenster, schlug mit der Faust an die Scheibe und blickte Trost suchend in den Garten.
»Was sagten Sie eben über Señora Vega… Sie hatten doch keine Affäre mit ihr, oder?«
»Eine Affäre?«, wiederholte er, während ihm allerlei schreckliche Möglichkeiten aufgingen. » No, no, que no . Ich habe sie nur in dem kleinen Park getroffen, wo sie ihre Hunde ausführt. Sie ist wirklich nicht mein Typ. Sie war bloß fasziniert von meiner Prominenz, das ist alles.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, sie hatte mich in einem Stück gesehen. Worüber haben wir eigentlich geredet?«
»Wann war das?«
»Irgendwann im März.«
»Sie haben gezwinkert, als Sie ihren Namen erwähnten.«
»Das war bloß ein wenig alberne Angeberei meinerseits.«
Der Stift schwebte über dem Notizbuch. Vor Falcóns innerem Auge liefen fünfzehn Monate alte Erinnerungsschnipsel ab. Die Fotos, die an der Wand hinter dem Schreibtisch in Raúl Jiménez’ Wohnung im Edificio Presidente gehangen hatten. Fotos von Prominenten, die in Jiménez’ Restaurants gespeist hatten, aber auch Leute aus dem Rathaus, Polizisten und Richter, sowie Pablo Ortega.
»Sie kannten Raúl Jiménez?«, fragte er.
»Nun, ich habe hin und wieder in einem seiner Restaurants gegessen«, antwortete Ortega erleichtert.
»Ich erinnere mich an Ihr Gesicht auf einem der Fotos, die er zu Hause aufbewahrt hat… prominente und einflussreiche Leute.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, warum ich da hing. Raúl Jiménez hat das Theater gehasst… Es sei denn… Natürlich, das ist es, mein Bruder, er kannte Raúl.
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